Adventskalendergeschichte

Moin und Hallo

Wir sind im Dezember angekommen und wie in den letzten Jahren
gibt es wieder eine Adventskalendergeschichte. Viel Spaß damit.

1 Carla saß am Küchentisch und kaute am Ende ihres Bleistiftes herum. „Carla, es gibt gleich Mittagessen. Du kannst also aufhören, den Stift zu malträtieren und den Tisch decken.“ „Mm.“ Carla starrte auf ein Stück Papier und wippte mit den Füßen vor und zurück. „Was machst du da eigentlich?“ Die Mutter unterbrach ihre Tätigkeit am Herd und drehte sich nun vollends zu Carla um.

2 „Ich will einen Brief schreiben.“ „Einen Brief? An wen?“ „Mama? Findest du nicht auch, dass Opa Brummbär jetzt immer so traurig aussieht?“ Mit schief gelegtem Kopf schaute Carla ihre Mutter an. „Wie kommst du denn da jetzt auf unseren Nachbarn? Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden, weil er immer so brummig ist.“ „Ja schon. Aber der tut nur so. Seit Oma Marie nicht mehr lebt, ist er auch gar nicht mehr so. Ich finde, er hat traurige Augen und sieht immer sehr einsam aus.“

3 Mit dem Kochlöffel in der Hand schaute die Mutter auf Carla herab. „Hat er etwas zu dir gesagt oder wie kommst du da jetzt drauf?“ „Er geht jetzt immer so langsam und die Schultern hängen auch herab. Und er hat mich noch kein Mal auf der Treppe ausgeschimpft, wenn ich zu laut war.“ „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen.“ Seufzend stellte die Mutter den Herd aus und begann die tiefen Teller mit Nudeln und Soße zu füllen. Schnell räumte Carla ihre Schreibsachen an die Seite.

4 „Und nun willst du Opa Brummbär einen Brief schreiben.“ „Nein, was soll das bringen.“ Ein schnaufendes Geräusch war zu hören. „Ich bin ein Kind, wie soll ich denn helfen.“ Gekonnt wickelte Carla einen kleinen Nudelberg auf die Gabel und steckt ihn sich in den Mund. „Okay.“ Die Mutter legte ihre gefüllte Gabel, die sie gerade in den Mund stecken wollte, wieder auf den Teller zurück. „Und wer meinst du kann helfen?“ „Na Mimi Sternenstaub.“ Carla strahlte von einem Ohr zum anderen.

5 „Aber Carla, Mimi Sternenstaub ist eine Geschichtsfigur, das weißt du doch.“ „Ja, aber Mimi sagt, wer an sie glaubt, dem kann sie auch helfen. Ich werde gleich nach dem Mittagessen einen Brief an sie schreiben. Dann kann der Himmelsbote ihn heute Nacht abholen.“ Flugs aß Carla weiter. „Ich muss den Brief auf jeden Fall wegräumen,“ überlegte ihre Mutter, während sie in dem Essen rumstocherte. Es gab da nur ein kleines Problem. Als sie ihn am späten Abend holen wollte, war er verschwunden.

6 Mimi Sternenstaub, auch Engel 123 genannt, lugte vorsichtig in den Küchentrakt hinein. Den ganzen Vormittag hatte es schon so lecker nach Weihnachtskeksen gerochen. „Na Mimi. Was schleichst du denn hier herum. Dem Duft der Kekse gefolgt?“ Lachend kam Belinda Zuckerschnute, die Köchin aus der Vorratskammer. Ohne dass Mimi etwas sagen musste, hielt sie ihr eine kleine Schale mit den duftenden Köstlichkeiten hin. „Greif zu, bevor dich jemand sieht.“

7 Mimi hatte gerade die Hand ausgestreckt, als die Küchentür aufgerissen wurde. „Ist Mimi Sternenstaub hier?“ Wanja Leuchtfeuer, die strenge Lehrerin steckte den Kopf herein. „Dachte ich es mir doch, dass das du schon wieder etwas abstauben willst, statt deine Schularbeiten zu machen. Beeil dich, du sollst zu Petrus kommen.“ „Ich? Warum denn?“ „Du hast wohl mal wieder was angestellt. Petrus sieht alles.“

8 Mimi schnappte hörbar nach Luft bei diesen Worten und überlegte, was sie in den letzten Tagen so gemacht hat. Ob Petrus wirklich alles wusste? Also von den Keksen konnte er noch nichts wissen. Vielleicht vom zu spät kommen letzten Montag. Und dass sie sich mal wieder vom Küchendienst gedrückt hat, weil sie angeblich Bauschmerzen hatte. Aber das war Selbstschutz. Küchendienst bei Klavitta Vierzack der Großküchenmeisterin war kein Vergnügen.

9 „Hallo Aufwachen!“ Wanja Leuchtfeuer haute derart mit der flachen Hand gegen das Türblatt, dass nicht nur Mimi zusammenzuckte, sondern auch die Köchin. „Meine Güte, wir sind doch nicht in der Kaserne. Hier Mimi, nimm ein Keks.“ Lächelnd streckte Belinda Zuckerschnute den Arm mit der Schüssel aus. „Nichts da,“ fuhr die Lehrerin dazwischen. „Du machst dich jetzt auf den Weg.“

10 Mimi hörte den Streit der beiden erwachsenen Engel nur noch kurze Zeit, dann war sie schon in einem der vielen Gänge verschwunden. Der Weg kam ihr heute sehr kurz vor. Was Petrus wohl von ihr wollte? Je näher sie dem inneren Zirkel kam, desto langsamer wurde sie. Kaum stand sie davor, schwang die massive Tür auch schon auf.

11 „Mimi Sternenstaub, schön, dass du mir helfen kommst.“ „Helfen?“ Mimis Gesichtsausdruck zeigte Petrus gleich, dass da wohl etwas schief gelaufen war mit der Weiterleitung seiner Nachricht. „Ach, dann hat die gute Klavitta Vierzack bestimmt vergessen, dir zu sagen, worum es geht.“ „Bestimmt.“ Mimi biss sich so fest auf die Zähne, dass kaum ein Laut zu hören war.

12 „Was schaust du so finster? Weihnachtspost ist doch etwas Schönes.“ Petrus klatschte in die Hände und zeigte auf seinen großen Arbeitstisch. „Außerdem gibt es Kakao und Kekse.“ Petrus stahlt Mimi derart an, dass es ihr ganz warm ums Herz wurde. „Das stimmt. Ich liebe Weihnachtspost.“ „Und Kekse, nehme ich an.“ „Vor allem Kekse.“ Beide arbeiteten schon eine ganze Weile, als Petrus einen Brief an Mimi weiterreichte. „Für dich.“

13 Und tatsächlich. Auf dem Umschlag stand: An Mimi Sternenstaub. Im Himmel „Mm, das ist ja komisch. Ich habe noch nie Post bekommen.“ Vorsichtig öffnete sie den Briefumschlag und holte ein hellblaues Blatt Papier heraus. Am Rand waren lauter kleine Engel gemalt, mal sitzend, mal hüpfend. Petrus hatte sie die ganze Zeit beobachtet und trommelt nun leicht mit den Fingern auf dem Tisch herum. „Und? Was steht da?“ Mimi Augen wurden beim Lesen immer größer. „Ich glaube, ich habe ein Problem.“

14 Liebe Mimi Sternenstaub, du sagst, wer an dich glaubt, dem kannst du helfen. Mein Nachbar, Opa Brummbär ist so traurig, seit seine Marie vor ein paar Wochen gestorben ist. Kannst du ihm helfen, damit es ihm wieder besser geht? Ich glaube fest an dich. Liebe Grüße deine Carla.“ „Ach du je und dass bei der hohen Sterberate,“ entfuhr es Petrus. Schneeweiß und mit zittrigen Händen drehte Mimi das Kuvert um und sucht nach einem Absender. Gab es nicht. „Was mache ich denn jetzt?“

15 Petrus hatte den Hauch ihrer Stimme kaum vernommen. „Kopf hoch, wir sammeln erst einmal Fakten und Ideen. Was haben wir? Der Brief ist auf Deutsch geschrieben und lag oben auf. Also ist er von letzter Nacht.“ Mimi nippte an ihrem Kakao. Der erste Schreck war überwunden. „Ich kann mal bei den Himmelsboten nachfragen, wer letzte Nacht die besagte Route hatte.“ „Gute Idee. Und dann geh auch gleich beim Auffanglager vorbei und lass dir die Liste der weiblichen Neuzugänge der letzten drei Monate geben.“

16 Mimi war froh, etwas tun zu können und flitze gleich los. Auf keinen Fall wollte sie Carla enttäuschen. Sie hatte aber auch einen Ruf zu verlieren. Eine Stunde später war sie wieder zurück. „Also die Himmelsboten schlafen noch. Da soll ich um 21 Uhr wieder hinkommen. Die Liste bekomme ich morgen.“

17 „Okay, dann machen wir mal Schluss für heute und treffen uns, wenn du alle Informationen zusammen hast. Wir werden das Kind schon schaukeln.“ Petrus reichte Mimi noch ein Keks und schob sie zur Tür hinaus. Die folgende Nacht dreht sich Mimi von einer Seite zur Nächsten. Das Gespräch mit den Himmelsboten hatte nichts gebracht. Ständig wechselnde Touren und die vermehrte Weihnachtspost hatten zur Folge, dass sich keiner erinnern konnte.

18 Nach einem schnellen Frühstück holte sie die Liste und erstattete Petrus Bericht. „Das hört sich ja nicht so gut an. Am besten, wir teilen uns auf. Du suchst nach dem Namen Marie und ich schaue mal bei der Post der allgemeinen Wünsche nach. Manchmal machen sich die Menschen sorgen um ihre Hinterbliebenen.“ Für die nächsten Stunden hörte man nur das Rascheln von Papier und ab und zu ein Seufzen. „So viele Verstorbene.“ Mimi hatte das letzte Blatt durchgearbeitet.

19 Petrus hatte seine Brille abgenommen und rieb sich die Augen. „Ja leider. Also, wie viele Marie sind verstorben?“ Mimi musste schlucken. „Ich habe mich glaub ich verzählt.“ Petrus nickte wissend. „Verstehe. Sieh mal, was ich gefunden habe. Lieber Petrus, mein Heinrich ist zwar ein richtiger Brummbär, aber ich kenne ihn. Er wird Unterstützung brauchen, wenn ich nicht mehr bei ihm bin. Bitte hilf ihm.“ „Das ist sie.“ Mimi war aufgesprungen. „Ja, das sehe ich auch so und Hilfe hat er auch schon durch die kleinen Carla,“ stimmte ihr Petrus zu. „Ja, aber was machen wir mit Carla?“ Einen Moment war es still. „Mimi, ich habe eine Idee.“

 20 Carla saß in der Küche und malte. „Oh, das wird aber schön. Für wen ist es?“ „Für Mimi Sternenstaub.“ Carlas Mutter fiel fast die Tasse aus der Hand. „Carla, sie kann dir nicht helfen.“ Wir können Opa Brummbär einladen, damit er Heiligabend nicht allein ist.“  „Mama,“ langsam, als würde sie mit einem störrischen Esel reden, antwortete Carla. „Mimi schafft das schon. Du musst nur fest daran glauben.“

21 Carlas Mutter überlegte, was sie antworten könnte, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein, was dagegensprach. Weißt du Mami, einladen können wir ihn ja zusätzlich. Ich glaube, er würde sich freuen. Gestern hat er mich gefragt, ob er mir jetzt die Nachhilfe geben soll.“ „Das ist ja großartig. Freust du dich?“ „Na ja, es ist Mathe.“ Carla verdrehte die Augen. „Aber ja, es ist okay. Vielleicht nehme ich das Bild auch für ihn.“

 22 Die Zeit war wie im Flug vergangen. Der Baum stand geschmückt im Wohnzimmer, in der Küche roch es nach weihnachtlichen Gewürzen und Festtagsbraten. Der Nachbar stand an Heiligabend pünktlich mit einer Flasche Wein und einem hübsch verzierten Päckchen in der Tür. „Eine kleine Aufmerksamkeit für die Einladung, meine Damen.“ „Danke, das lege ich unter den Weihnachtsbaum.“ Carla hüpfte los.

23 Carlas Mutter nestelte an ihrer Schürze herum und der Nachbar stand abwartend für einen Moment in der Tür. „Das sieht aber hübsch aus.“ Sein Blick hatte den festlich gedeckten Tisch erfasst.  „Das freut mich. Setzen sie sich doch, Herr Johannisson.“  „Sagen sie ruhig Opa Brummbär wie Carla.“ Carlas Mutter riss die Augen auf. „Hat Carla sie wirklich so genannt?“ „Seit Jahren,“ lachte er. „Heimlich mit meiner Marie zusammen. Ich fand das immer bezaubernd.“

 24 „Ich vermisse meine Marie sehr. Aber ich weiß auch, dass es ihr gut geht. Ich habe letzte Nacht von ihr geträumt. Sie stand mit einem kleinen Engelchen zusammen und sah sehr glücklich aus.“ Carlas Mutter wurde für einen Moment heiß. Hatte Carla vielleicht doch recht? Diese stand schon eine Zeit lang hinter der Tür und hatte ganz undamenhaft gelauscht. „Yes, ich wusste es.“ wisperte sie leise vor sich hin. „Danke Mimi.“

Lächelnd schaut Mimi aus weiter Ferne hinab. „Coole Idee mit dem Traum.“ Petrus hatte sich neben sie gestellt und eine Hand auf ihre Schulter gelegt. „Mimi Sternenstaub, mit Glauben und Hilfsbereitschaft lässt sich vieles erlangen.“

In diesem Sinne wünsche ich allen eine schöne Weihnacht.

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