Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid.
2025 hat begonnen. Wie ihr auf er Startseite gesehen habt, ist mein diesjähriges Motto:
Weniger ist mehr.
Ein großes Feld der Möglichkeiten. Die Spanne der Sichtweise, was wenig oder mehr vielleicht sogar viel, ist manchmal sehr unterschiedlich. Ein Herzensstück, egal wie groß, klein, alt oder schäbig, kann einen unschätzbaren Wert darstellen.
Flori und Emilia in der folgenden Geschichte sind ein gutes Beispiel dafür.
„Hier. Habe ich vom Flohmarkt mitgebracht.“ Flori stellte das große Paket direkt vor Emilias Füße.
„Wieso mitgebracht?“ Emilia, die gerade auf dem Boden saß und die letzte Schublade wieder eingeräumt hatte, fuhr hoch. „Ich dachte, wir waren uns einig auszusortieren?“
Flori ging bei Emilias schrillen Ausruf automatisch ein kleines Stück rückwärts und nach einem kurzen Durchatmen wieder vor.
„Süße, das machen wir doch auch. Ich habe alles verkauft oder sogar verschenkt, was ich dabeihatte, aber bei diesem wunderbaren Geschirr konnte ich einfach nicht nein sagen.“ Flori schaute Emilia mit großen Augen an.
„Geschirr? Hast du mal in den Schrank geschaut. Wir haben genug davon.“ Emilia war aufgesprungen und hatte die Schranktür geöffnet. Ein Wirrwarr aus kunterbunten Tassen, Tellern und Schüsseln belagerten die Regale.
„Stimmt“, gab Flori zu. „Aber schau mal, es ist ein Sammelsurium von allem. Nichts passt zusammen. Wenn wir Besuch haben, dann ist es jedes Mal ein Kampf, den Tisch zu decken. Ehrlich Süße, die Sachen sind wirklich schon sehr oll und nicht mehr schön anzusehen. Wir können doch austauschen“, sprach Flori hastig weiter, den Moment nutzend, weil Emilia nichts erwiderte. „Dann ist alles neu und passt zusammen und wir haben trotzdem nicht mehr Teile im Schrank.“
„Ich dachte immer, es ist wichtig, was auf dem Teller liegt und nicht, ob er neu ist.“; fauchte Emilie und gab dem Paket einen Stoß. „Ich mag unsere zusammengesuchten Teile, alles Lieblingsstücke, an denen Erinnerungen hängen. Ich wusste gar nicht, dass du wie die Mamsell im Märchen bist.“
„Was für eine Mamsell? Was für ein Märchen? Kenn ich nicht“, maulte Flori und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Als Emilia nicht darauf reagierte, schaute er zu ihr hinunter. Emilia saß zusammengesunken und rührte sich nicht. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter.
„Sorry, Süße, ich fand die Lösung praktisch. Aber muss ja nicht sein.“ Er streichelte Emilie mit einer liebevollen Geste über das Haar, nahm dann zwei Tassen und den Tee aus dem Schrank, goss heißes Wasser aus dem alten Kessel über die Blätter und setzte sich neben Emilia.
„Magst du mir die Geschichte von der Mamsell erzählen?“
„Du wirst dich wundern. Es geht nur am Rande um die Mamsell“, antwortete sie mit einem zaghaften Lächeln.
Rosarot
Es war ein Mal. So fangen alle Märchen an. Aber diese Geschichte hier ist besonders. Sie ist wirklich und wahrhaftig so geschehen. Ich muss es wissen, denn ich war dabei.
„Es ist da“, hörte ich die Mamsell rufen. Aufgeregt wie die Gänseschar kurz vor Weihnachten, hüpfte sie um den großen Tisch in der Gutsküche herum. Das Teil, was sie so sehr in Verzückung brachte, war ein großes Paket, welches der Knecht in der Mittagsstunde aus der Stadt geholt hatte. Nun stand er schnaufend in der Tür und schaute sich suchend um. Der Schweiß lief ihm im Nacken entlang. „Auf den Tisch damit“, dirigierte die dralle Mamsell und schob ein Tablett, das für den Gutsherrn sein sollte, mit Schwung an den Rand. Rosarot, seine gemütliche Lieblingsteetasse dickwandig und solide schwappte etwas über. Bei so viel Elan hatte sie den Tee nicht halten können und so ergoss er sich über das Gebäck. „Ich will es sofort begutachten.“ Die Mamsell öffnete den Karton geschickt mit wenigen Griffen und stand dann mit gefalteten Händen und Tränen in den Augen davor. „So etwas Schönes und Zartes habe ich noch nie gesehen“, flüsterte sie.
Nacheinander holte sie das Porzellan aus der Verpackung. ‚so ein Theater wegen Geschirr? Echt jetzt?‘ Ich konnte es nicht fassen. Draußen waren 30 Grad und hier war eine Stimmung wie zum Jahreswechsel kurz vor dem Bleigießen. Unbeeindruckt machte ich einen langen Hals und betrachtete die dünnwandigen Teile. Die Tassen so zart, dass mir Angst und bang wurde. Das Milchkännchen reckte seine Nase hochnäsig nach oben. Der Zuckerpott, sehr präsent, schob seine Henkel weit nach außen und stieß dabei die Kanne an, die das sogleich mit einem zarten „Plng“ honorierte.
„Oh, wird der Herr sich freuen. Endlich ein elegantes Geschirr und nicht so ein klobiges Teil“, frohlockte die Mamsell, nachdem sie die neuen Teile abgewaschen hatten. „Du hast nun endlich ausgedient“, schnaufte sie und nahm die alte Tasse, die ein „Huch“ ausstieß und goss mit einem Griff den Inhalt in die Spüle.
Ich schaute entsetzt zu Rosarot. Ich schwöre, sie wurde ganz farblos und hauchte so sanft ein „oh nein“, dass es einem letzten Atemzug glich.
„Ach meine Liebe“, flüsterte ich, „das hast du nicht verdient.“
Die Mamsell schob sie achtlos in ein Regal und Rosarot duckte sich und versteckte sich weit hinter dem anderen Geschirr. Bleich und kaum zu sehen stand sie da und gab kein Laut mehr von sich.
Die Monate gingen ins Land und das Jahr neigte sich dem Ende zu. Das zarte neue Geschirr wurde jeden Tag genutzt und war längst nicht mehr der ganze Stolz der Mamsell. Inzwischen hatte die ein oder andere Tasse einen Sprung, so mancher Henkel war abgebrochen und der Herr beschwerte sich darüber, der er sich laufend die Finger verbrannte. Eines Morgens war ihm dann endgültig der Kragen geplatzt, nachdem eine der Tassen nach einem kurzen „Knack“ den Inhalt über ihm ausgebreitet hatte. Seine zornige Stimme konnte ich bis in die Küche hören. Und nicht nur ich. Die Mamsell kam mit hochrotem Kopf an den Tisch und ihre Hände flatterten, als sie das Tablett hinstellte. „Er will seine alte Tasse wieder haben“, flüsterte sie. „Wo soll ich die denn hernehmen?“ Dicke Tränen liefen ihr das Gesicht hinab und ich muss gestehen, sie tat mir fast ein bisschen leid. Schwer atmend durchsuchte sie das Regal. „Nichts“, stöhnte sie, während ihr hochrotes Gesicht bleich und bleicher wurde.
„Die Post ist da.“ Der Knecht klatschte die Briefe auf den Tisch und sah die Mamsell an. „Wie siehst du denn aus?“
„Die Tasse, ich suche die Rosarote. Sie ist weg“, schluchzte sie nun laut.
„Mm, lass mal überlegen. Die habe ich irgendwo gesehen. Vielleicht in der Speisekammer?“
Die Mamsell suchte. „Nichts.“
„Unter der Spüle?“
Die Mamsell schaute nach. „Nichts.“
„Vielleicht in einem der Zimmer?“
Die Mamsell rannte durchs ganze Haus. „Nichts“, schnaufte sie und ließ sich auf den Küchenstuhl fallen.
„Jetzt weiß ich es“, rief der Knecht freudestrahlend. „Bei den Tagelöhnern auf dem Feld. Juri hat sie als Kaffeetasse genutzt oder für Wodka oder Suppe oder was auch immer.“
„Aber die Truppe ist doch seit Wochen weg.“ Die Mamsell raufte sich die Haare, dass ihr Dutt ganz schief saß. „Nun ist alles verloren.“ Ihre Stimme war nur noch ein Wispern.
„Nicht unbedingt. Ich habe da noch eine Idee.“ Ehe die Mamsell etwas sagen konnte, war der Knecht aus der Küche gestürmt.
Kurze Zeit später kam er mit einem schmuddeligen, mit Strohhalmen gespickte Teil zurück.
„Jesas, das ist sie“, rief die Mamsell und klatschte in die Hände. Dann nahm sie Rosarot vorsichtig entgegen und drückte sie an ihre beachtliche Brust. „Oh meine Liebe, nie wieder werde ich dich achtlos behandeln, nur weil etwas Neues kommt. Das Bewährte ist oft viel wertvoller, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennt.“
Nach einem Schaumbad und einigen Polituren strahlte Rosarot leuchtender als jemals zuvor. Als sie mit Tee gefüllt auf dem Tablett stand, zwinkerte sie mir mit einem ihrer roten Punkte zu. Und so wahr ich hier stehe, wenn ich gekonnt hätte, wären mir ein paar Tränen gekommen.
So zog wieder Frieden ins Haus und alle lebten glücklich und zufrieden. Ihr könnt mir glauben. Es hat sich alles so zugetragen. Ich war dabei und ein Wasserkessel sagt immer die Wahrheit.
Flori hatte gespannt zugehört und erwachte nun, als Emilia geendet hatte wie aus einem Traum. Er blickte zuerst zu ihr, dann schaute er auf den alten Wasserkessel und zum Schluss auf die Tasse, die sie in der Hand hielt. Sie war alt und rosa mit roten Punkten. Er schluckte. „Wie kann das sein?“ Emilia zuckte die Schultern und lächelte. „Keine Ahnung. Meine Oma hat mir das Märchen immer erzählt, als ich noch ganz klein war. Nachdem sie gestorben war, habe ich in einer Kiste auf dem Dachboden wenige alte Teile gefunden, Sie sind nicht mehr so schön, aber für mich mehr wert als irgendwelche neue.“
„Dann wollen wir „Rosarot“ in Ehren halten“, erwiderte Flori. Schnappte sich das Paket und schrieb ’zu verschenken‘ auf die Oberseite.
Emilia und Flori haben gezeigt, dass es gar nicht so einfach ist, sich für wenig zu entscheiden. Es soll sich in erster Linie gut anfühlen.
Für mich wird es ein Übungsfeld und wer weiß schon, was am Ende dabei herauskommt. Vielleicht geht es euch ebenso.
Habt wieder eine wunderbare Zeit.