Moin und Hallo
Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Geschichte.
Viel Spaß damit.
1 Mimi Sternenstaub, auch Engel 123 genannt saß in der himmlischen Krankenstation am Bett ihrer Freundin Mia Morgenstern.
Seit Mimi Mia gefunden hatte, verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Am Anfang war sie noch einen kurzen Moment bei Bewusstsein. „Du musst ihn retten. Versprich es mir“, waren ihre letzten Worte.
2 „Tiefe Erschöpfung“ war die Diagnose von Doktor Krumtiegel. „Auch Engel haben nur begrenzt Energie. Ist die Aufgabe zu schwer oder übermäßig lang, fallen sie in ein schützendes Koma“, hatte er ihr erklärt.
„Wo soll ich nur Information herbekommen?“, flüsterte Mimi und griff mit beide Händen in ihre rotblonde Lockenpracht und massierte die Kopfhaut. Den störenden Heiligenschein schob sie achtlos über einen ihrer Arme.
3 Ihre Gedanken liefen auf Hochtour. ‚Petrus scheidet aus. Der ist nicht da’ „Warum ist der Kerl eigentlich nie da, wenn man ihn braucht“, schimpfte sie vor sich hin. Sogleich war ein lautes Donnern zu hören. „Ja, Entschuldigung, ich weiß, kurz vor Weihnachten ist viel zu tun“, murmelte sie und zog den Kopf etwas tiefer. Ein himmlisches Donnerwetter konnte sie nun nicht gebrauchen.
4 „Ich hab’s. Das Berichtsheft.“ Mit einem Satz war Mimi auf den Beinen und stürzte wenige Minuten später in das Zimmer ihrer Freundin. Laut schnaufend blickte sie sich mit großen Augen um. Die Wände waren voller Fotos mit verschiedenen Personen. Von Alt bis jung war alles vertreten. An manchen Bildern war ein Harken, an anderen ein Strich. An einem Bild, es war in der Mitte, dominierte eine ganze Strichliste. „0 ha, ich ahne etwas.“
5 Das Berichtsheft lag auf dem Tisch und sie fing sofort an, es durchzuarbeiten. Es gab eine große Anzahl von verschiedenen Einsätzen und Handlungsorte. Ein Name wiederholte sich immer wieder. „Das muss er sein.“ Paul, zehn Jahre stand in krickeliger Schrift hinzugefügt. Dann folgte eine Liste.
– in Badeanstalt fast ertrunken a
– vom Baum gefallen a
– Wespe verschluckt a
– im Moor eingesunken a
– im Geheimgang verlaufen a
– n = Gefahr = Raus.hg..t g.fu..en, Py.ot.ch..k ?
6 „Ach, du liebe Güte. Kein Wunder, das Mia so erschöpft ist. Das Kerlchen ist ein richtiges Unglücksmagnet. Mimi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wurde aber schnell wieder ernst. „Wo bist du?“, flüsterte sie und durchforstete erneut die Aufzeichnungen nach Hinweisen auf den Aufenthaltsort. „a oder n? Was soll das denn heißen? Es muss doch irgendwo eine Legende geben.“ Wild schlackerte sie das Buch aus und förderte einen Zettel zutage.
7 a = alt
n = neu
„Okay, alt ist scheinbar schon abgehakt. n = neu scheint akut zu sein heißen. Gefahr ist klar, aber was steht dahinter? Das Gekritzel ist ja nicht zu entziffern.“ Vor sich her murmelnd schritt Mimi im Zimmer auf und ab. Schaut erneut an die Wand und legte die Unterlagen zurück auf den Schreibtisch. Direkt neben eine Tageszeitung.
8 — Rauschgifthändler frei— Die Überschrift sprang Mimi regelrecht entgegen. Die Polizei von Dummsdorf erlitt in den gestrigen Abendstunden eine erneute Schlappe. Nicht nur der Einbruch in der Pyrotechnikfabrik bleibt weiter ungelöst. Auch im Fall der verdächtigen Rauschgifthändler Rufus G. und Hannibal K. war das Ergebnis niederschlagend. Ohne Beute mussten sie frei gelassen werden. Die Polizei ist sich sicher, dass die Ware beider Verbrechen in der Nähe befinden. Die Bevölkerung wird zur Vorsicht aufgerufen.
9 „Das ist es. Der Buchstabensalat heißt: Rauschgift gefunden und Pyrotechnik.“ Mimi stieß die Luft aus und wedelte mit der Zeitung vor ihrem Gesicht auf und ab. Ihr war so heiß geworden, dass die Wangen glühten. ‚Paul hatte Teile der Ware entweder schon gefunden oder Mia hatte es befürchtet. Daher das Fragezeichen. Und bei seiner Trefferquote für Pech ist Paul garantiert mittendrin. Ich muss runter auf die Erde. Nach Dummsdorf.‘
10 Fern ab auf der Erde stapfte Paul mit einem Sack auf den Schultern durch den Schnee. „So ein paar blöde Gauner werden mich nicht daran hindern, den Rehen ihr Futter zu bringen. Bald ist Weihnachten“, schimpfte er laut vor sich hin und verteilte die gesammelten Kastanien und Eicheln in der Futterkrippe. Liebevoll legte er noch etwas Tannengrün dazu und betrachtete dann mit einem Lächeln sein Werk.
11 ‚So nun schnell nach Hause. Vielleicht sollte ich mir für Mama und Papa noch eine Notlüge ausdenken. Sicher ist sicher‘, überlegte Paul und dachte mit Unbehagen an den Ärger, den er zu Hause bekommen würde. Ohne auf den Weg zu achten, stand er plötzlich vor einer Hütte. „Cool, die habe ich ja noch nie gesehen. Mal kurz reinschauen kann doch nicht schaden, ist ein bisschen wie ein Abenteuer“, murmelte er und schob jeden Gedanken an Vernunft beiseite.
12 Innen war es recht schummerig, die geschlossenen Fensterläden ließen nur wenig Licht durch die Ritzen. Das Einzige, was kräftiger leuchtete, waren die weißen Tüten, die kreuz und quer auf dem Boden lagen. „Was ist das denn?“, wisperte er und dachte sogleich an den Zeitungsartikel, den sein Vater beim Frühstück laut vorgelesen hatte. „Wenn das hier was damit zu tun hat, habe ich ein Problem“, schoss es Paul durch den Kopf. Zumal er von weitem Stimmen hörte, die immer lauter wurden und näherkamen.
13 Im ersten Moment war Paul starr vor Schreck. ‚Die dürfen mich auf keinen Fall hier sehen‘ war sein alles beherrschender Gedanke. „Warum ist die Tür offen?“, schallte eine zornige Männerstimme von draußen rein. „Und Fußspuren sind hier auch überall.“
„Ja natürlich. Werden wohl unsere eigenen sein, oder schwebst du neuerdings. Die sind garantiert schon alt. Schau durch die Tür, alles da. Hier ist kein Mensch. Heute Nacht lagern wir den Stoff eh um“, erwiderte eine ruhige Stimme und schloss die Tür.
14 Paul saß noch eine ganze Weile in der Ecke und lauschte. „Puh, Glück gehabt. Die sind weg“, freute er sich. Es war totenstill. ‚Wie die Stimme gesagt hat, hier ist kein Mensch. Alle haben sich an die Warnung der Polizei gehalten‘. Paul lief es bei dem Gedanken eiskalt den Rücken herab. „Mit Stoff meinten die bestimmt das Rauschgift“, flüsterte er und drückte die Türklinke runter. Nichts passierte. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Mit hängendem Kopf stand er da und konnte ein Schluchzen nicht verhindern.
15 ‚Wenn doch nur Mia hier wäre. Ihr wäre bestimmt schon etwas Cooles eingefallen. Aber die kommt wohl nicht mehr zu mir.‘ Paul stöhnte leise, als er sich an die letzte Begegnung erinnert. Bei dem Gedanken, wie unfreundlich er zu ihr war, stiegen ihm erneut die Tränen in die Augen. „Mia, wenn du mich hörst. Es tut mir leid. Ich passe in Zukunft besser auf.“ Pauls Stimme zitterte. Sein Atem bildete kleine Wölkchen und die Kälte ließ ihn erschaudern.
16 Zögernd blickte er sich um, ob sein kleiner Schutzengel doch noch kommen würde und entdeckte einen Tisch. Schnell zündete er die darauf liegende Kerze an. Die Streichhölzer steckt er vorsichtshalber ein und seufzte erleichtert auf. ‚Vielleicht ist das Mias Hilfe‘, überlegte er und hielt die Kerze hoch, um besser sehen zu können. „Was ist das denn schon wieder?“, wisperte er, als er einen weiteren Raum entdeckte.
„Pyrotechnik. Wo habe ich das schon mal gehört?“
17 Mimi hatte sich sogleich auf den Weg gemacht. Dummsdorf war ein kleiner beschaulicher Ort mit Stadtpark und Fußgängerzone. Die Polizeistation, ein ehrwürdiger roter Klinkerbau, hatte Mimi schnell gefunden.
Im Besprechungsraum der SOKO-Rauschgift schlüpfte sie gerade noch rechtzeitig in eine breite Lücke neben einem Schrank, als sie Stimmen hörte und die Tür geöffnet wurde.
18 Ihr Herz klopfte bis zum Hals hoch. ‚Das fehlte noch, dass ich gesehen werde‘. Fast hätte sie laut gekichert bei der Vorstellung von dem Durcheinander, was sie hervorrufen würde. Aber Berufsgruppen, die dem Tod schon oft ins Auge geblickt hatten, konnten sie eventuell sehen.
„Also, das ist mein Plan“, eine zierliche rothaarige Frau, die sich als Hauptkommissarin Katja Rehbein vorgestellt hatte, erläuterte kurz darauf das Vorhaben.
19 Kaum war der Raum leer, entschwand Mimi. Sie hatte genug gehört. Zielort, Dummsdorfer Wald. „Der ist ja riesig“, stieß sie Augenblicke später entsetzt aus, als sie auf die Wanderkarte blickte.
„Wo kann ein kleiner Junge hier stecken“, grübelte sie laut vor sich hin. „Am See vielleicht oder am Futtergehege.“ Schnell hatte Mimi den ersten Platz abgehakt. „Nichts“. Am zweiten lagen Kastanien und eine Fußspur war zu sehen. „Kleine Füße, das könnte er sein.“
20 „Pyrotechnik, Böller, Feuerwerksraketen“, las er auf einem der Kartons. „Ach du Schreck“, mit einem Satz sprang Paul kreischend zurück. Schnell pustete er die Kerze aus. „Mia, ich könnte langsam Hilfe gebrauchen“, stöhnte er, als er ein Poltern hörte.
Kurz darauf öffnete sich mit einem lauten Quietschen eine Tür und zwei Männer betraten den Raum. „Bist du sicher, dass es klug ist, die Ware jetzt zu holen?“ Paul hielt die Luft an. ‚Das sind andere als vorhin. Hoffentlich finden die mich nicht‘, betete er im Stillen, nachdem er leise unter eine Holz Koje geschlüpft war.
21 Achtlos ging einer an ihm vorbei und griff sich einen großen Karton. „Klar, hier im Wald ist kein Mensch. Alle konzentrieren sich auf den Rauschgiftfall. Komm jetzt.“ Vergnügt und laut Pläne schmiedend wurde Teil für Teil nach draußen geschleppt. ‚Wie komme ich an denen vorbei’ Paul knetete seine Hände und überlegte fieberhaft. Dann stutze er und hörte mit klopfendem Herzen, wie nun auch die Vordertür leise geöffnet wurde.
22 Mimi war den Spuren weiter gefolgt. Je länger sie lief, je mehr Spuren kamen dazu. Alle führten sie zu einer Hütte. Vorsichtig schlich sie sich heran und suchte sich einen Platz, an dem sie beide Eingänge überblicken konnte. Was sie sah, ließen ihr die Haare zu Berge stehen. Zwei Männer waren an der Hintertür, zwei weitere schlichen sich vorne hinein. Ihr Gedanke, ‚Aber wo steckt Paul’ wurde sogleich von dem zornigen Geschrei mehrerer Personen überlagert.
23 „Jetzt aber flott, Mimi Sternenstaub“, trieb sie sich an und schlich behutsam zur Hintertür. Endlich konnte sie Paul unter einem Bett ausmachen. Sie benötigte drei Schneebälle, bis er endlich rauskam und sie anblickte. Wer …? Wo…?
„Pst, Paul pass auf. Mia schickt mich. Wir haben nur einen Versuch. Ich gehe an die Vordertür. Wenn ich pfeife, dann schließt du die Hintertür und legst den Riegel vor. Das muss klappen.“
24 „Paul, das hast du supergemacht. Mia wird stolz auf dich sein“, strahlte Mimi den kleinen Jungen nach erfolgreicher Arbeit an. „Meinst du wirklich? Pauls Stimme war leise. Mimi nickte heftig, sodass der Heiligenschein gefährlich hin und her rutschte.
„Auf jeden Fall. Aber nun sollten wir hier verschwinden. Hier wimmelt es bald von Menschen. Die Polizei ist im Anmarsch. Aber vorher zünden wir noch ein paar Raketen an.“
„Für Mia? Als Grüße?“ Paul hüpfte begeistert auf der Stelle und hielt Mimi nach einem kurzen Zögern die Streichhölzer hin. „Hier. Für heute hatte ich genug Abenteuer.“
„Super, das wollte ich immer schon mal tun“, strahlte diese
Oben im Himmel erfreute sich Mia an dem Feuerwerk und lächelte. „Danke ihr beiden. Mimi, ich wusste, du schaffst es.“