Lela
Moin und Hallo,
schön, das ihr vorbeischaut.
Draußen regnet es gerade Bindfäden und es soll auch in den nächsten Tagen so bleiben. Auch wenn ich mich lange dagegen gewährt habe, der Sommer ist vorbei.
Spätestens mit der Zeitumstellung steht man plötzlich schon recht früh im Dunkeln. Aber an allen Dingen gibt es etwas Gutes zu entdecken. Man kann es sich wieder drinnen gemütlich machen. Kakao, Kerzen und Kekse, die berühmten drei „K“ gehen immer. Vielleicht wird auch der ein oder andere Brief geschrieben.
So ergeht es Lela im folgenden Beitrag. Sie tut sich etwas schwer damit.
Ich habe ihr mal ein paar Briefpapier Motive auf die Startseite gestellt.
„Mist, Mist, Mist.“ Lela feuerte ihren Stift im hohen Bogen auf den Schreibtisch und sprang auf. Ruhelos rannte sie in ihrem Kinderzimmer hin und her. Was sollte sie nur machen? Was schreiben? Und wie? Einen Brief an einen Engel.
Lela war 10 Jahre alt und in ihrer Welt gab es die Freundinnen in ihrer Schule und Handys zum Chatten oder zum Betrachten von süßen Katzenvideos.
Aber doch keine Engel wie ihr bester Freund Paul immer behauptete.
Alles in ihr sträubte sich dagegen, aber sie wusste sich keinen anderen Rat.
Sie musste einen Kontakt herstellen und das ging nur per Brief.
Sie schaute aus dem Fenster. Auf das Nachbarhaus in dem Paul mit seinen Eltern wohnte, sah seltsam verlassen aus.
„Paul glaubt an Engel.“ Lelas Stimme war nur ein Flüstern. „Das muss reichen.“
Mit dem Streit, ob es Engel gäbe oder nicht hatte der ganze Schlamassel begonnen. Paul hatte behauptet er würde zwei kennen. Sogar mit Namen. Das war Laila dann doch zu viel gewesen und sie hatten sich gestritten. Nun war er weg.
„Wenn doch nur einer von den Eltern da wäre“, seufzte sie tief.
Aber die waren alle unterwegs. So war der Plan.
Pauls Plan. Er hatte den Vorschlag gemacht.
„Lela, ich habe eine Idee. es sind Herbstferien und somit die beste Zeit. Du sagst zuhause, dass du bei mir schläfst. Und ich sage, ich würde bei dir übernachten. Dann haben wir sturmfreie Bude.
Unsere Eltern nutzen bestimmt die Gelegenheit am Wochenende etwas zu unternehmen.
Meine wollten schon die ganze Zeit meinen großen Bruder besuchen. Der ist seit Studienbeginn nicht mehr hier gewesen und deine wollten ihre weggezogenen Freunde gerne wiedersehen. Das habe ich letztens zufällig gehört.“
Paul hatte sie so strahlend angeschaut, dass sie zugestimmt hatte. Obwohl sie insgeheim befürchtete, dass irgendetwas gefährliches herauskommen würde, als er ihr später erzählte, warum er die Erwachsenen aus dem Haus haben wollte. Paul hatte immer das Talent sich in Schwierigkeiten zu bringen.
Aber nun war es zu spät. Nun war sie allein. Sie atmete tief durch und setze sich wieder an den Schreibtisch und nahm den Stift auf. Nein, allein war sie nicht. Vielleicht gab es ja doch Schutzengel.
Liebe Mimi Sternenstaub…
Wie es mit Lela und den Schutzengeln weitergeht, könnt ihr in der diesjährigen
Adventskalender Geschichte lesen. Die beginnt wieder wie in jedem Jahr am 1. Dezember.
Habt also ein wenig Geduld und wieder eine schöne Zeit.
Darf es noch ein bisschen Sommer sein?
Moin und Hallo
Ich freue mich, euch wieder dabei zu haben.
So ein Jahr ist auch nicht mehr das, was es früher einmal war. Mir geht es immer etwas zu schnell.
Nun hat schon der Oktober Einzug genommen, und ich hänge ehrlich gesagt noch im Sommer fest.
Sieht man auf meinem Startbild. Dabei lässt es sich nicht mehr leugnen, dass die Tage kürzer und die Nächte vor allem kälter werden.
Heute Morgen haben wir im Strandkorb gefrühstückt. Und ich kann berichten, um 6:45 Uhr war es leidlich hell und recht frisch mit unseren 3 Grad. Aber ja, mit einer oder zwei Decken ist alles möglich.
Gerade mit dem ersten Zweifel, ob ich hier richtig sitze, und nicht doch lieber drinnen im Warmen, fing ein Zaunkönig an zu singen. Was für ein Timing.
Für mich war der Sommer zurückgekehrt. Mir wurde augenblicklich wohlig ums Herz. (Aber nur da)
Mal schauen, welche Überraschung der morgige Tag für uns bereithält.
Schaut euch nur um. Es gibt immer so viel zu entdecken.
Immer wieder Schnecken
Moin und Hallo
Schön, euch wieder dabei zu haben.
Kaum hat meine Sommerpause begonnen, schon ist sie wieder vorbei.
Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie schnell die Zeit rennt.
Vor meiner Sommerpause habe ich mich vermehrt mit den Krafttieren auseinandergesetzt und so bin ich bei meiner Recherche auf eine besondere Schnecke gestoßen. Früher dachte ich immer, so ein Krafttier müsste groß sein und kräftig. Sollte Kraft liefern, wie der Name schon sagt. Umso erstaunter war ich, als ich auch Schnecken in einer Liste fand.
Schnecken sind schon sehr lange mein Thema. Ich finde sie einfach witzig und sehr neugierig. Vor einigen Jahren habe ich dann mein erstes Bilderbuch über eine kleine Schnecke verfasst.
Wie in jedem Garten gibt es auch bei uns Massen davon. Wenn man sie beobachtet, sieht man gleich, die haben einen Plan und führen ihn zielstrebig aus.
Gartenkino halt.
Ich höre jetzt schon die Gartenliebhaber unter euch stöhnen.
Aber dieses Tierchen auf meiner Startseite ist hier nicht beheimatet.
Es ist eine sogenannte Blattschafschnecke. Sie lebt im Pazifik und ist nur wenige Millimeter groß. Das Bild ist also keine Artischocke mit Augen. Wenn ihr mehr zu diesem Tierchen erfahren möchtet, schaut unter Schlundsackschnecken.
Superinteressant.
Aber auch hier in unserer Gegend gibt es viel zu entdecken. Man braucht sich nur umzuschauen. Den vielen kleinen Insekten zolle ich meinen Respekt. Es ist sehr erstaunlich, was sie an Kreativität und Ideenreichtum zu bieten haben.
Schaut mal hin und habt wieder eine schöne Zeit.
Wenn ich ein Chamäleon wär
Moin und Hallo,
schön, dass ihr wieder dabei seid.
Heute habe ich für meine Startseite ein für mich sehr spannendes Tier mitgebracht.
Das Chamäleon. Es wird als Krafttier angesehen.
Vielleicht liegt es an seinen vielen Besonderheiten.
Wer sich die Augen genauer betrachtet, findet ein unabhängiges Schauen in unterschiedliche Richtungen. Jedes Auge macht, was es will.
Ich meine nicht das Schielen, das man als Kind aus Jux ausprobiert hat. Ich war da schon recht meisterhaft darin. Sehr zum Unbehagen der Erwachsenen, die mir prophezeit haben, die Augen blieben immer so stehen.
Glück gehabt. Ist nicht passiert.
Sein Gangbild ist ungewöhnlich, teils bedächtig, schon fast meditativ klettert es zu seinem Ziel. Es kann sich zur Tarnung auch wippend fortbewegen und imitiert dadurch ein Blatt im Wind. Es greift gezielt und nutzt den Schwanz zusätzlich als Haltefunktion.
Die Zunge ist richtig klebrig und schnell. Da ist nichts mehr mit Gemütlichkeit. Sobald ein lohnendes Objekt entdeckt wird, schnellt diese vor und schwupp mit Nahrung zurück.
Sein Farbwechsel ist phänomenal. Man sieht immer, wie die Stimmung ist. Zufrieden oder zornig, eventuell mal blass, wenn das Wohlbefinden nicht so stimmt. Eigentlich ein bisschen wie bei uns Menschen.
Zumindest in meiner Fantasie. Lest aber selbst.
Wenn ich ein Chamäleon wär
mein Leben anders ging einher.
Ich wäre bunt und schrill
und trotzdem eher still.
Mein Kleid wäre prächtig
im Wandel doch mächtig.
Die Farben sehr klar,
wie ich niemals war.
Ich könnte mich verstecken,
niemand würde mich entdecken.
Wäre nahezu unsichtbar
und doch immerzu da.
Mein Blick wäre konsequent.
Jedes Auge rotierte getrennt.
Mein Fokus von fern bis nah,
die Sicht dann scharf und klar.
Ich würde alles bemerken.
Das sind meine Stärken.
Beherrschte so manchen Trick
und hätte voll den Überblick.
Wenn ich ein Chamäleon wär,
lebte ich anders als bisher.
Mehr Abenteuer sicherlich,
doch wär ich nicht mehr ich.
So ein paar Chamäleon Eigenschaften könnte ich schon gebrauchen.
Vor allem, was den Überblick angeht. Bei mir liegt wieder ein Projekt auf Halde.
Zur Vollendung gehe ich nun in die Sommerpause.
Habt bis zu unserem Wiedersehen eine schöne Zeit und genießt die Wunder, die uns täglich geboten werden.
Unverhofft kommt oft
Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid. Der Frühling ist inzwischen weit ins Land gezogen und es wird stetig grüner und bunter.
Der Nestbau der Vögel ist im vollen Gang. Es begeistert mich jedes Jahr aufs Neue.Die Wildgänse haben den ersten Nachwuchs und auf den Wiesen sind die ersten Lämmer zu erblicken.
Ich habe als Startbild für diesen Monat einen Widder mitgebracht. Ich finde, den sieht man nicht so oft. Oder zumindest ich habe ihn in den letzten Jahren nicht so im Blick gehabt. Dabei ist er sowohl Sternzeichen wie Krafttier. An beides denkt man nicht unbedingt, wenn die jungen Wilden über die Wiese hüpfen.
Oftmals ist man so in seinem Hamsterrad, dass selbst ungewöhnliche oder auffällige Veränderungen völlig außer Acht gelassen werden, wie die folgende Geschichte zeigt.
„Guten Morgen, sagt der Morgen.
Was ein wunderbarer Tag.“
Clara sank schnaufend auf dem Küchenstuhl nieder und schloss für einen Moment die Augen.
„Garantiert nicht“; kommentierte sie die fröhlichen Worte des Radiomoderators.
„Eher guten Abend gute Nacht.
Ein beschissener Tag ist vollbracht“,
murmelte sie vor sich hin und ließ das Gespräch mit ihrem Chef Revue passieren.
„Clara, nun langt es. Du nimmst den Rest der Woche frei und schläfst dich mal aus.“
„Aber“, hatte sie versucht zu retten, was nicht zu retten war.
„Nichts aber. Ich habe, wir alle hier in der Redaktion haben lange genug deine Launen ertragen. Du bist scheinbar völlig überarbeitet. Entweder so müde, dass du nichts mitbekommst, oder du maulst herum und bist, sorry, ungenießbar.“
Clara stand mit offenem Mund da und starrte ihren Chef an. In den ganzen Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte sie Jan noch nie so viel an einem Stück reden gehört.
„Okay“, war das Einzige, was ihr eingefallen war, und dann hatte sie ihre Tasche gepackt.
Nun saß sie hier in ihrer Küche und wusste nichts mit sich anzufangen. Urlaub. Zwangsurlaub genaugenommen.
Mit starrem Blick schaute sie auf den weiß lasierten Küchentisch und zeichnete mit dem Zeigefinger die Maserung nach. Ihr ging es schon länger nicht gut. Ständig diese Hungerattacken. Zugenommen hatte sie auch. Sogar der BH fing an zu kneifen. Paul, ihr Freund fand das natürlich gut. Och, ist doch großartig. Also ehrlich mich stört es nicht, hatte er erklärt und konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie in Tränen ausgebrochen war. Sie selbst auch nicht. So nah am Wasser gebaut kannte sie sich nicht. Alles störte oder nervte. Leider gehörte auch ihr Freund dazu.
„Wenn man vom Teufel, sprich“, seufzte Clara, als sie Pauls Stimme hörte.
„Ist was passiert?“
„Nee, dein Freund Jan hat mir Urlaub verordnet“, schnauzte sie ihn an.
„Oh. Na ja, vielleicht ganz gut. Du bist die letzte Zeit etwas neben der Spur, wenn ich das mal so sagen darf“, begann Paul.
„Ich bin doch kein Auto.“ Mit einem Satz war Clara auf den Beinen und setzte schnippisch nach. „Oder vielleicht doch. Ein Ausrangiertes. Ich gebe jetzt in meine Garage. Und zwar allein.“ Dann knallte sie die Tür hinter sich zu.
An Pause machen, war gar nicht zu denken und an schlafen noch weniger. Auf dem Bett sitzend lauschte sie eine ganze Weile, ob Paul noch etwas sagte oder klopfte. Nichts. Sie hörte ihn in der Küche singen. Er übertönte das Radio mit seiner lauten Stimme und sang so falsch, dass Clara die Melodie nicht erkennen konnte. Sie musste grinsen. Auch wenn er ihr in der letzten Zeit auf den Keks ging, so konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Es tat ihr inzwischen leid, ihn so angeschrien zu haben. Im Nebenraum war Ruhe eingekehrt. Keine Musik, kein Gesang. Es waren überhaupt keine Geräusche mehr zu hören.
Leise öffnete sie die Schlafzimmertür. „Paul?“
Mit betreten der Küche sah sie sofort den Zettel auf dem Tisch.
Ich bin mit den Jungs zum Essen verabredet. Ruh dich aus. Wir sehen uns morgen.
„Na toll, nun habe ich ihn vergrault und die gehen ohne mich essen“, schluchzte sie laut auf und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
Die Minuten verstrichen. „So geht das nicht weiter.“ Ihre Stimme hallte laut in der sonst so ruhigen Küche. Sie zog ein Taschentuch aus der Box, trocknete sich die Augen und reckte ihr Kinn in die Höhe. Der Blick auf die Uhr zeigte an, dass sie sich sputen musste.
Die nahegelegene Apotheke hatte nur noch wenige Minuten geöffnet.
„Ein Glück, das ich sie noch antreffe“, sprudelte Clara gleich beim Eintreten heraus.
„Ich benötige ihre Hilfe. Ein Mittel zur Stärkung oder Beruhigung oder so. Ich bin so launisch und habe auch so zugenommen.“
Die ältere Apothekerin hörte geduldig zu.
„Aha, Müssen sie auch öfter weinen?“
„Ja, genau,“ stimmte Clara zu. Endlich verstand sie mal jemand.
„Und ist ihn auch manchmal übel? Zum Beispiel am Morgen?“
„Oh ja, heute musste ich mich sogar übergeben. Das kenne ich sonst nicht von mir. Ist zurzeit ein Virus unterwegs?“
„Das nicht, aber ich hätte was für sie, dass ihnen Klarheit verschafft“, erwiderte die Fachfrau und legte eine kleine Packung auf den Ladentisch.
Die Musik war schön, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Mühsam öffnete ich die Augen.
„Na, meine Kleine.
Ausgeschlafen?“
Mein Freund zwinkerte mir lachend zu.
Ich musste mich erst einmal sortieren und schaute mich um. Ich saß im Wohnzimmer vor dem Fernsehen. Ach ja, unser wöchentlicher Kinoabend. Heute mal vor dem Fernseher, weil ich, seit geraumer Zeit so müde war.
In der Hand hielt ich noch die Chipstüte, deren Inhalt ich mir vor kurzem fast vollständig einverleibt hatte. Komisch, ich mag sonst gar kein Knabberzeug. Aber im Moment verschlang ich es regelrecht.
Das muss ich dringend ändern. So langsam bekam ich einen Rettungsring. Es hatten sich in der letzten Zeit so einige Dinge eingeschlichen, die ich sonst nicht so von mir kannte. Schlafen vor dem Fernseher gehörte eindeutig dazu. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich jemals so viel geschlafen habe wie in der letzten Zeit.
Trotzdem war ich unausgeglichen. Noch eine Arbeitswoche, dann geht es in den wohlverdienten Urlaub. Wenn auch allein und nur ein paar Tage. Ausruhen, schlafen, mit den Mädels treffen und in Ruhe shoppen gehen. Auf jeden Fall ein, zwei Hosen eine Nummer größer. Für den Übergang, bis ich wieder abgenommen habe. Dieses ständige Kneifen in der Taille ist grässlich.
Der Abspann der Komödie lief gerade und mir kamen einige Szenen in den Sinn, an die ich mich noch erinnern konnte. Die arme Frau. Der ging es ein bisschen wie mir. Ich stutze. Mir wurde ein bisschen flau. Vor Schreck legte ich beide Hände auf den Bauchraum.
„Schwanger“ schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf.
„Und, wie ist es ausgegangen?“, fragte ich vorsichtig.
„Schwanger, was sonst. Du hättest mal ihr Gesicht sehen sollen, als die Apothekerin ihr den Test hinlegte. Es ist kaum zu glauben, wie unbedarft manche Menschen sind. Weder sie noch ihr Partner haben etwas gemerkt. Da waren doch viele Anzeichen. Die Müdigkeit, die Gewichtszunahme. Übelkeit am Morgen. Obwohl, manche haben den ganzen Tag damit zu schaffen.
Wo wir beim Thema sind. Was macht eigentlich deine Magenverstimmung. So wie du futterst, scheint alles Okay zu sein. Du siehst zumindest aus wie das blühende Leben. So ein paar Kilo mehr stehen dir gut. Und ein bisschen mehr Oberweite ist auch nicht zu verachten,“ strahlte mich mein Freund an.
Ich bin am Ende meiner kleinen Geschichte angelangt und hoffe, dass sie euch gefallen hat. Im täglichen Hamsterrad übersehen wir wohl alle das ein oder andere Geschehen um uns herum. Im Moment des Innehaltens lüftet sich der Schleier und vieles tritt wieder klar zum Vorschein. Ein Blick in den Himmel, ein Moment das Gesicht in die Sonne halten. Einfach mal raus aus dem Trott.
Habt wieder eine wunderbare Zeit.
Zu viel Fantasie
Moin und Hallo
Schön, dass Ihr wieder vorbeischaut.
Es ist kaum zu glauben, aber das erste Viertel von 2025 ist schon vorbei.
Gefühlt habe ich gerade die Weihnachtsdeko eingemottet, nun stehen die Kisten mit den Ostersachen parat und warten auf Verteilung.
In manchen Gärten hängen schon die ersten bunten Eier. Zusammen mit den vorwitzigen Frühblühern ein schöner Farbfleck.
Die Natur ist für mich sowieso ein Wunderwerk. Erst liegt alles brach und kaum scheint die Sonne, fängt es an zu wachsen und zu blühen.
Auf meinem Startbild ist davon noch nichts zu sehen. Da müsste man schon sehr viel Fantasie aufbringen.
So wie die Protagonistin der folgenden Geschichte. Ihr wird immer zu viel davon nachgesagt. Aber lest selbst.
Die Gedankenflut der letzten Nacht forderte ihren Tribut. Gähnend hatte ich mich durch den Arbeitstag geschoben. Den Abschluss bildete nun die Abendschule, die ich seit einigen Wochen besuchte. Mein Plan für die Zukunft, erst Abi, dann vielleicht Dramaturgie studieren. Aber mit diesem Lehrer in Deutsch wurde das wohl nichts. Dieser Typ war trocken wie ein Furz und ging mir mächtig auf den Keks. Ich verstand es nicht. Wie konnte jemand, der noch so jung war so antiquierte Ansichten haben. Dr. Stur sah eigentlich aus wie eine Sahneschnitte, aber machte seinem Namen alle Ehre. Keine Diskussionsbereitschaft, kein über den Tellerrand schauen.
Ständig nölte er an meinem Texten herum. Alles, was ich zu hören bekam, war, „Strukturieren sie ihre Arbeiten und sortieren ihre Gedanken, bevor sie ihre Geschichten niederschreiben.“ Dann, mit einem Kopfschütteln als Krönung kam sein Lieblingssatz. „Zu viel Fantasie.“
Früher in der Schule war ich auch immer „zu“.
„Zu laut, zu frech, zu angriffslustig. Nie passte etwas. Ich hatte gedacht, jetzt als gestandene Erwachsene wäre es anders.
Was lernen diese Pädagogen eigentlich an der Uni. Vielleicht sollte ich den ganzen Plan überdenken.
Eine gehörige Portion Zorn hatte mich voll im Griff, als ich das Schulgebäude vorzeitig verließ. Stapfend stürzte ich die Straße entlang, um an deren Ende in den Wald einzubiegen. Tiefe Stille umhüllte mich. Gab es hier keine Vögel, keine Geräusche, keine anderen Personen? War ich noch auf dieser Welt oder schon auf einem anderen Planeten, wo ich als einzige übriggeblieben war. Es war doch noch hell. Oder hatte ich einfach alle mit meiner schlechten Aura vertrieben.
„Zu viel Fantasie. Pah.“ Wie bitte schön kann man zu viel davon haben? Mit jedem Schritt, den ich stark aufsetzte, jagte ich vorwärts. Tiefer in den Wald hinein. Hier wurde es durch die Dichte der Bäume und deren Laub viel dunkler. Schwer atmend blieb ich irgendwann stehen. Ich drehte mich einmal im Kreis. Wo war ich hier gelandet. Na großartig, das passte doch zu diesem Sch…tag. Nun hatte ich mich auch noch verlaufen. Ich drehte mich erneut. Dieses Mal langsamen, schaute in alle möglichen Richtungen. Irgendetwas musste mir doch bekannt vorkommen. Schließlich war ich in der letzten Zeit des Öfteren hier. Eigentlich nach jeder Deutschstunde.
Mein Blick fiel auf eine kleine Lichtung. Die restliche Helligkeit des Tages hatte sich in ihr gefangen. Es sah bezaubernd aus. Wie ein Märchenwald. Ein Ort für Zentauren, Zwerge und Gnome. Vielleicht mit sehr viel Glück wäre sogar ein Einhorn zu finden. Man kann es ja nie wissen. Also schaute ich genauer auf das Ende der Lichtung. Dort, an einem der Bäume weckte etwas mein Interesse. Was war das denn? Ich zwinkerte ein paar Mal, um den Blick zu schärfen.
Und dann sah ich es deutlicher. „Das ist nicht möglich.“ Meine Stimme war nur ein Hauchen und doch überdeutlich laut an diesem ansonsten ruhigen Ort. Eine feine Gänsehaut kroch mir langsam den Rücken empor und ließ meinen verschwitzen Körper frösteln. Eiseskälte machte sich in mir breit. Halt suchend umfasste ich mit beiden Armen meinen Oberkörper und wiegte ihn langsam vor und zurück. „Nein, nein, nein“, hörte ich mich wimmern. Noch immer lag mein fokussierter Blick auf der Stelle, wo ich etwas sah, was es eindeutig nicht gab. Nicht geben konnte. Nicht geben durfte.
Zögerlich trat ich etwas näher. Leise Schritt für Schritt, jedes Geräusch vermeidend. Die Stille um mich herum war fast greifbar. Immer noch kein Vogelgezwitscher, kein Gesumme oder Gebrumme. Nicht einmal der immerwährende Autoverkehr war in der Ferne zu hören. Dafür war inzwischen viel zu wenig los auf den Straßen. Es war zu spät. Alle saßen zu Hause oder mit Freunden in einem Biergarten oder wo auch immer und krochen nicht allein im Wald herum. Ich schluckte. Mein Hals war trocken. „Mist.“ Der Blick auf mein Handy zeigte mir, dass es schon weit nach 21 Uhr war und ich keinen Empfang hatte.
Gegen meinen Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und wegzurennen, bewegte ich mich weiter vorwärts. In meinem Kopf arbeiteten die Gedanken mühsam einen Plan aus. Ich musste die Polizei benachrichtigen, das stand fest. Aber wie sieht es mit erster Hilfe leisten aus. Gab es noch etwas, was ich leisten konnte?
Meine Beine zitterten derart, dass ich mich erneut sammeln musste, um überhaupt vorwärtszukommen. Weiterhin starrte ich wie gebannt auf das Etwas. Mein Gehirn versuchte zu realisieren, was ich sah. Viel war es nicht. Die Entfernung war zu groß. Auf der Stelle tretend grübelte ich weiter, was es sein könnte.
Eventuell ein Körper, großzügig mit weißen Stoffbahnen umhüllt. Ein Hochzeitskleid vielleicht. Ich wollte mir eine genaue Beschreibung überlegen, damit ich den Beamten später einen guten Hinweis geben konnte. In der Mitte der Gestalt steckte etwas und drückte sie an einen der Bäume.
Es nütze nichts, um besser sehen zu können, musste ich näher an den Ort des Verbrechens. Blut war erstaunlicherweise nicht zu sehen. „Vermutlich in den Boden gesickert“, murmelte ich vor mir hin. Dass das hier ein Tatort war, war mir vollkommen klar.
Warum musste so etwas ausgerechnet mir passieren. Es war noch keine fünf Minuten her, da dachte ich an zauberhafte Wesen und nun das. Eine Fee war es jedenfalls nicht. Auch kein Tier, weder wundersam noch real.
„Also los“, sprach ich mir selbst Mut zu und ging zögerlich weiter. ‚Vielleicht sollte ich rufen. Es konnte sein, dass die Person auch nur schläft“, überlegte ich.
„Hallo? Sie da. Hören Sie mich. Geht es Ihnen nicht gut?“ „Was rede ich hier eigentlich für einen Schwachsinn. Natürlich geht es einem nicht gut mit einem Speer im Körper“, murmelte ich und dann wieder lauter. „Also, ich komme jetzt näher. Erschrecken Sie nicht.“
Noch wenige Schritte, dann wäre ich direkt vor Ort. Ich kontrollierte erneut mein Handy. Kein Empfang. Hatte ich jetzt ehrlich gesagt auch nicht mehr mitgerechnet. Alles in mir sträubte sich bei dem Gedanken, den Körper, der vor mir saß, anzuschauen, zu berühren oder den Schleier zu lüften. Aber es nützte nichts. Es war kein Mensch weit und breit zu sehen oder zu hören. Das hoffte ich jedenfalls. Vorsichtig drehte ich mich um und lauschte. Waren da nicht Stimmen? Oder so ein leises Rascheln? Ich strengte mich an, genauer hinzuhören. Nichts. Ich hatte mich getäuscht. Kein Anschleichen war zu hören. Keine tierischen Warnlaute, wie bei Vögeln, wenn die Katze nahte. Der Täter hatte sich schon aus dem Staub gemacht. Oder die Täterin. Es konnte ja auch ein Eifersuchtsdrama sein.
Ein letzter Blick ins umliegende Gehölz und ich hockte mich hin. Atmete ein, zwei Mal tief ein und versuchte mich auf das vorzubereiten, was ich gleich erblicken würde. Vielleicht sollte ich erst einmal versuchen, ob noch ein Puls messbar war. Wenn ich kälte, spürte wohl eher nicht. Wie war das im Krimi immer mit der Leichenstarre. Erst wurde der Körper fest und dann wieder beweglich. Oder war es andersherum.
Ich sollte echt mal besser aufpassen. Man sieht ja. Irgendwann kommt eine Situation, da benötigt man Fachwissen.
Ich atmete noch einmal kräftig durch und hob dann langsam den Blick. Damit hatte ich beileibe nicht gerechnet. Ich keuchte und sprang auf. Fast wäre ich gestürzt. Nur mit Mühe schaffte ich mich auszubalancieren, um dann hysterisch die Töne herauszubringen, die sich langsam in meiner Kehle gesammelt hatten, bis sie explosionsartig entwichen. „So eine Schweinerei. Das darf doch nicht wahr sein. Können die Leute ihren Mist nicht auf die Müllkippe bringen, anstatt den Wald zu verunstalten und harmlose Spaziergänger zu Tode zu erschrecken.“
Schnaufend starrte ich auf das Teil, das nun klar und eindeutig vor mir lag. Ein großer weißer Sack. Aus der Mitte war im Laufe der Zeit ein Ast gewachsen. Kein Märchenort, kein Tatort.
Ich schloss die Augen und fing an zu lachen. Wie war doch der Lieblingssatz meines Deutschlehrers. „Zu viel Fantasie“
Ich bin am Ende meiner kleinen Geschichte angelangt.
Habt wieder eine wunderbare Zeit und genießt den April mit all seinen kleinen
Erlebnissen. Denn Abenteuer locken überall.
Gedanken
Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid. Der März kommt mit großen Schritten ins Land gezogen. Das bedeutet, es wird wieder heller. Die Tage werden länger. Merkt man schon. Ich finde, die Vögel sind richtig aktiv. Gestern konnte ich drei Meisen beobachten, die sich am Eingang eines Vogelhäuschens mächtig stritten. Ein paar Meter daneben hängt ein weiteres Haus, aber es ist wohl wie bei den Menschen. Manche Objekte sind einfach interessanter.
Als Startbild habe ich dieses Mal die Fische mitgebracht. Sie sind sowohl Sternzeichen als auch Krafttier. Momentan noch in den Tiefen unseres Miniteiches verschwunden. Ich frage mich, ob die auch schon in den Startlöchern stehen und die ein oder andere Wurzel belagern. Da kommt doch gleich meine Fantasie in Wallung. Und mein Gedankenuhrwerk startet.
Gedanken
Sie lassen mir keine Ruh,
sind ständig kreuz
auch gern mal quer
ganz unsortiert kommt sie daher.
Sie springen hin und her.
Der Kopf ist voll,
dann wieder leer.
Erhöhen das Chaos immer mehr.
Sie springen vor und rück.
Was morgen kommt,
was gestern war.
Sie machen mich verrückt.
Sie springen hoch hinaus.
In Vorstellungen man vieles kann,
doch unsortiert
kommt oft nichts dabei raus.
Gedanken
Sie tauchen in mich hinein.
Ins Herz und in die Seele bald.
Mit Fantasie,
so wird‘s wohl immer sein.
Mit den Gedanken ist das so eine Sache. Die können einen ganz schön auf Trab halten. Und mit dem Thema Fantasie bin ich auch noch nicht fertig.
Aber davon später. Habt wieder eine schöne Zeit.
Ein wundersamer Ort
Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid.
Als Startbild habe ich heute eine Landschaft ausgewählt. Gerade jetzt in dieser Jahreszeit, finde ich, ist der Blick in den Garten oder über ein Feld recht übersichtlich. Ruhe für die Augen und den Geist.
Letztens legte sich zusätzlich Nebel über das Land und deckte es sanft zu. Es hat etwas gedauert, bis ich diese unaufgeregte und stille Zeit schätzen lernte. Die Welt im Nebel ist eine völlig andere. Der klare Durchblick fehlt. Manches lässt sich nur erahnen.
Das kann auch passieren, wenn man mit Themen konfrontiert wird, die im ersten Moment nicht richtig zuzuordnen sind.
Ein wundersamer Ort
Als ich sie das erste Mal sah, saß sie in einem Raum, der so dunkel war, dass ich von der Umgebung im ersten Moment nichts erkennen konnte. Es war totenstill, nicht ein Geräusch war zu hören. Kein Summen, kein Atmen, höchstens das Pfeifen in meinen Ohren. Bei absoluter Stille schrie mein Tinnitus wie verrückt.
Die Gestalt war klein und strahlte nicht nur als Erscheinung. Ihr Lächeln hatte auf mich eine freundliche und einladende Wirkung. Geradezu energiegeladen. Diese Helligkeit bildet den Kontrast zur Umgebung. Ich blickte mich kurz um zu der Tür, durch die ich gekommen war. Sie schien jetzt schon in der Umgebung zu verschwind. Zögerlich trat ich näher und blickte erstaunt zu ihr herab. Es war ein Kind. Ein kleines Mädchen mit braunen Locken und wunderschönen Augen in derselben Farbe, ähnlich meiner eigenen Haar- und Augenfarbe. Nur das mein Blick eher trüb und die Haare eher stumpf als glänzend anmuteten.
Das Mädchen trug ein schlichtes weißes Kleid und saß völlig entspannt auf dem Boden.
Ich hockte mich mit meinem alten grauen Jogginganzug neben sie und kam mir schäbig vor. „Hallo, meine Kleine. Wo kommst du denn her?“
„Du weißt, wo ich herkomme“, antwortete sie ruhig.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß weder, wer du bist, noch wo wir hier sind“, flüsterte ich. Es war nicht kalt im eigentlichen Sinn hier in diesem Raum, aber eine innere Kälte ließ mich frösteln.
Ein unangenehmes Gefühl bemächtigte sich meiner.
„Du brauchst keine Angst haben“, sprach die Kleine und legte wie zur Beruhigung ihre Hand auf meine. „Es ist gut, dass du gekommen bist. Es wird dir Klarheit bringen.“ Ich war erstaunt über ihre Äußerung und noch mehr darüber, wie warm ihre Hand war. Trotz des Hauches einer Berührung löste sie ein Gefühl von Zuversicht in mir aus.
„Schau dich um, dann wirst du es verstehen.“
„Was verstehen?“, wisperte ich.
Ich wartete noch einen Moment, ob sie noch etwas preisgeben würde, aber sie blieb stumm.
Der Raum erwies sich nicht als so düster, wie ich im ersten Moment geglaubt hatte. Er enthielt einiges an Mobiliar, das mich an meine Oma erinnerte. Ein großer runder Tisch, gleich dem, an dem ich immer mit ihr gespielt hatte. Meistens Halma. Bis mein Großvater von der Arbeit kam. Dann beherrschte er das Feld. Forderte den Platz, um an seinen Legohäusern zu bauen. Kein gemeinsam. Eher ein hab acht. Ich blieb trotzdem. Wenn ich anwesend war, blieb er friedlich. War Oma in Sicherheit. Seltsam. Ich hatte lange nicht daran gedacht. Ein leiser Schmerz erfüllt mich. Wie konnte ich es vergessen? Wie konnte ich sie vergessen?
„Du hast sie nicht vergessen. Sie ist ein Teil von dir. Das Leben geht weiter.“ Die Stimme der Kleinen war ruhig und liebevoll. „Immer. So im Guten, so im Schlechten.“
Ich schüttelte mich. Ein kalter Schauer durchlief mich. Trotzdem oder vielleicht auch genau deswegen schaute ich mich nach einer Feuerstelle um. Ich meinte, den Geruch von Rauch in der Nase zu haben, aber es war wohl eine Täuschung oder ein Wunschgedanke. Mein Blick blieb an einer Angel hängen. Gleich kam eine Erinnerung. An die Zeit, als ich mit meinem Vater oft zum Angeln gegangen bin. Immer der gleiche Ablauf. Früh aufstehen, Proviant einpacken und heißen Tee. Auf dem Weg Köder, meist Maden kaufen und für mich noch einen dicken Comic.
Das war eine schöne Zeit, erinnerte ich mich und mir wurde gleich wärmer. Vielleicht weil mein Herz schneller schlug. Auch daran hatte ich lange nicht gedacht, durchfuhr es mich sogleich und das wohlige Gefühl verschwand.
„Auch er ist ein Teil von dir“, hörte ich jetzt die Stimme des Kindes wieder. „Schau, was du noch entdecken kannst.“
Neben der Angel, etwas im Hintergrund waren einige Körbe gestapelt. Die dazugehörigen Decken rochen muffig. „Nach alter Hund“, rief ich und fing an zu lachen, während sich der Schmerz in mir ausbreitete und mir die Tränen die Wangen hinunterliefen.
„Was nützen mir die Erinnerungen. Sie tun nur weh. Alle haben mich verlassen“, schluchzte ich nun laut.
„Sie haben dich nicht verlassen. Sie sind weitergezogen. Solange du sie in deinem Herzen trägst, sind sie bei dir. Du bist nicht allein. Du wirst es niemals sein.“ Das kleine Mädchen umschloss mich mit einer Kraft, die ich ihr nie zugetraut hätte. „Ich bin die Hüterin deines Selbst und werde immer bei dir sein.“
Eingehüllt von dieser Gewissheit erwachte ich am Morgen in meinem Bett.
Was für ein komischer Traum, aber doch schön und beruhigend. Das muss an dem Artikel gelegen haben, den ich gestern Abend noch gelesen hatte, murmelte ich und blickte auf die Überschrift.
„Auch in schweren Zeiten – Das innere Kind verlässt dich nie.“
Es gibt viele wundersame Orte, die sich entdecken lassen.
Ich wünsche euch viel Vergnügen dabei.
Rosarot
Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid.
2025 hat begonnen. Wie ihr auf er Startseite gesehen habt, ist mein diesjähriges Motto:
Weniger ist mehr.
Ein großes Feld der Möglichkeiten. Die Spanne der Sichtweise, was wenig oder mehr vielleicht sogar viel, ist manchmal sehr unterschiedlich. Ein Herzensstück, egal wie groß, klein, alt oder schäbig, kann einen unschätzbaren Wert darstellen.
Flori und Emilia in der folgenden Geschichte sind ein gutes Beispiel dafür.
„Hier. Habe ich vom Flohmarkt mitgebracht.“ Flori stellte das große Paket direkt vor Emilias Füße.
„Wieso mitgebracht?“ Emilia, die gerade auf dem Boden saß und die letzte Schublade wieder eingeräumt hatte, fuhr hoch. „Ich dachte, wir waren uns einig auszusortieren?“
Flori ging bei Emilias schrillen Ausruf automatisch ein kleines Stück rückwärts und nach einem kurzen Durchatmen wieder vor.
„Süße, das machen wir doch auch. Ich habe alles verkauft oder sogar verschenkt, was ich dabeihatte, aber bei diesem wunderbaren Geschirr konnte ich einfach nicht nein sagen.“ Flori schaute Emilia mit großen Augen an.
„Geschirr? Hast du mal in den Schrank geschaut. Wir haben genug davon.“ Emilia war aufgesprungen und hatte die Schranktür geöffnet. Ein Wirrwarr aus kunterbunten Tassen, Tellern und Schüsseln belagerten die Regale.
„Stimmt“, gab Flori zu. „Aber schau mal, es ist ein Sammelsurium von allem. Nichts passt zusammen. Wenn wir Besuch haben, dann ist es jedes Mal ein Kampf, den Tisch zu decken. Ehrlich Süße, die Sachen sind wirklich schon sehr oll und nicht mehr schön anzusehen. Wir können doch austauschen“, sprach Flori hastig weiter, den Moment nutzend, weil Emilia nichts erwiderte. „Dann ist alles neu und passt zusammen und wir haben trotzdem nicht mehr Teile im Schrank.“
„Ich dachte immer, es ist wichtig, was auf dem Teller liegt und nicht, ob er neu ist.“; fauchte Emilie und gab dem Paket einen Stoß. „Ich mag unsere zusammengesuchten Teile, alles Lieblingsstücke, an denen Erinnerungen hängen. Ich wusste gar nicht, dass du wie die Mamsell im Märchen bist.“
„Was für eine Mamsell? Was für ein Märchen? Kenn ich nicht“, maulte Flori und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Als Emilia nicht darauf reagierte, schaute er zu ihr hinunter. Emilia saß zusammengesunken und rührte sich nicht. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter.
„Sorry, Süße, ich fand die Lösung praktisch. Aber muss ja nicht sein.“ Er streichelte Emilie mit einer liebevollen Geste über das Haar, nahm dann zwei Tassen und den Tee aus dem Schrank, goss heißes Wasser aus dem alten Kessel über die Blätter und setzte sich neben Emilia.
„Magst du mir die Geschichte von der Mamsell erzählen?“
„Du wirst dich wundern. Es geht nur am Rande um die Mamsell“, antwortete sie mit einem zaghaften Lächeln.
Rosarot
Es war ein Mal. So fangen alle Märchen an. Aber diese Geschichte hier ist besonders. Sie ist wirklich und wahrhaftig so geschehen. Ich muss es wissen, denn ich war dabei.
„Es ist da“, hörte ich die Mamsell rufen. Aufgeregt wie die Gänseschar kurz vor Weihnachten, hüpfte sie um den großen Tisch in der Gutsküche herum. Das Teil, was sie so sehr in Verzückung brachte, war ein großes Paket, welches der Knecht in der Mittagsstunde aus der Stadt geholt hatte. Nun stand er schnaufend in der Tür und schaute sich suchend um. Der Schweiß lief ihm im Nacken entlang. „Auf den Tisch damit“, dirigierte die dralle Mamsell und schob ein Tablett, das für den Gutsherrn sein sollte, mit Schwung an den Rand. Rosarot, seine gemütliche Lieblingsteetasse dickwandig und solide schwappte etwas über. Bei so viel Elan hatte sie den Tee nicht halten können und so ergoss er sich über das Gebäck. „Ich will es sofort begutachten.“ Die Mamsell öffnete den Karton geschickt mit wenigen Griffen und stand dann mit gefalteten Händen und Tränen in den Augen davor. „So etwas Schönes und Zartes habe ich noch nie gesehen“, flüsterte sie.
Nacheinander holte sie das Porzellan aus der Verpackung. ‚so ein Theater wegen Geschirr? Echt jetzt?‘ Ich konnte es nicht fassen. Draußen waren 30 Grad und hier war eine Stimmung wie zum Jahreswechsel kurz vor dem Bleigießen. Unbeeindruckt machte ich einen langen Hals und betrachtete die dünnwandigen Teile. Die Tassen so zart, dass mir Angst und bang wurde. Das Milchkännchen reckte seine Nase hochnäsig nach oben. Der Zuckerpott, sehr präsent, schob seine Henkel weit nach außen und stieß dabei die Kanne an, die das sogleich mit einem zarten „Plng“ honorierte.
„Oh, wird der Herr sich freuen. Endlich ein elegantes Geschirr und nicht so ein klobiges Teil“, frohlockte die Mamsell, nachdem sie die neuen Teile abgewaschen hatten. „Du hast nun endlich ausgedient“, schnaufte sie und nahm die alte Tasse, die ein „Huch“ ausstieß und goss mit einem Griff den Inhalt in die Spüle.
Ich schaute entsetzt zu Rosarot. Ich schwöre, sie wurde ganz farblos und hauchte so sanft ein „oh nein“, dass es einem letzten Atemzug glich.
„Ach meine Liebe“, flüsterte ich, „das hast du nicht verdient.“
Die Mamsell schob sie achtlos in ein Regal und Rosarot duckte sich und versteckte sich weit hinter dem anderen Geschirr. Bleich und kaum zu sehen stand sie da und gab kein Laut mehr von sich.
Die Monate gingen ins Land und das Jahr neigte sich dem Ende zu. Das zarte neue Geschirr wurde jeden Tag genutzt und war längst nicht mehr der ganze Stolz der Mamsell. Inzwischen hatte die ein oder andere Tasse einen Sprung, so mancher Henkel war abgebrochen und der Herr beschwerte sich darüber, der er sich laufend die Finger verbrannte. Eines Morgens war ihm dann endgültig der Kragen geplatzt, nachdem eine der Tassen nach einem kurzen „Knack“ den Inhalt über ihm ausgebreitet hatte. Seine zornige Stimme konnte ich bis in die Küche hören. Und nicht nur ich. Die Mamsell kam mit hochrotem Kopf an den Tisch und ihre Hände flatterten, als sie das Tablett hinstellte. „Er will seine alte Tasse wieder haben“, flüsterte sie. „Wo soll ich die denn hernehmen?“ Dicke Tränen liefen ihr das Gesicht hinab und ich muss gestehen, sie tat mir fast ein bisschen leid. Schwer atmend durchsuchte sie das Regal. „Nichts“, stöhnte sie, während ihr hochrotes Gesicht bleich und bleicher wurde.
„Die Post ist da.“ Der Knecht klatschte die Briefe auf den Tisch und sah die Mamsell an. „Wie siehst du denn aus?“
„Die Tasse, ich suche die Rosarote. Sie ist weg“, schluchzte sie nun laut.
„Mm, lass mal überlegen. Die habe ich irgendwo gesehen. Vielleicht in der Speisekammer?“
Die Mamsell suchte. „Nichts.“
„Unter der Spüle?“
Die Mamsell schaute nach. „Nichts.“
„Vielleicht in einem der Zimmer?“
Die Mamsell rannte durchs ganze Haus. „Nichts“, schnaufte sie und ließ sich auf den Küchenstuhl fallen.
„Jetzt weiß ich es“, rief der Knecht freudestrahlend. „Bei den Tagelöhnern auf dem Feld. Juri hat sie als Kaffeetasse genutzt oder für Wodka oder Suppe oder was auch immer.“
„Aber die Truppe ist doch seit Wochen weg.“ Die Mamsell raufte sich die Haare, dass ihr Dutt ganz schief saß. „Nun ist alles verloren.“ Ihre Stimme war nur noch ein Wispern.
„Nicht unbedingt. Ich habe da noch eine Idee.“ Ehe die Mamsell etwas sagen konnte, war der Knecht aus der Küche gestürmt.
Kurze Zeit später kam er mit einem schmuddeligen, mit Strohhalmen gespickte Teil zurück.
„Jesas, das ist sie“, rief die Mamsell und klatschte in die Hände. Dann nahm sie Rosarot vorsichtig entgegen und drückte sie an ihre beachtliche Brust. „Oh meine Liebe, nie wieder werde ich dich achtlos behandeln, nur weil etwas Neues kommt. Das Bewährte ist oft viel wertvoller, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennt.“
Nach einem Schaumbad und einigen Polituren strahlte Rosarot leuchtender als jemals zuvor. Als sie mit Tee gefüllt auf dem Tablett stand, zwinkerte sie mir mit einem ihrer roten Punkte zu. Und so wahr ich hier stehe, wenn ich gekonnt hätte, wären mir ein paar Tränen gekommen.
So zog wieder Frieden ins Haus und alle lebten glücklich und zufrieden. Ihr könnt mir glauben. Es hat sich alles so zugetragen. Ich war dabei und ein Wasserkessel sagt immer die Wahrheit.
Flori hatte gespannt zugehört und erwachte nun, als Emilia geendet hatte wie aus einem Traum. Er blickte zuerst zu ihr, dann schaute er auf den alten Wasserkessel und zum Schluss auf die Tasse, die sie in der Hand hielt. Sie war alt und rosa mit roten Punkten. Er schluckte. „Wie kann das sein?“ Emilia zuckte die Schultern und lächelte. „Keine Ahnung. Meine Oma hat mir das Märchen immer erzählt, als ich noch ganz klein war. Nachdem sie gestorben war, habe ich in einer Kiste auf dem Dachboden wenige alte Teile gefunden, Sie sind nicht mehr so schön, aber für mich mehr wert als irgendwelche neue.“
„Dann wollen wir „Rosarot“ in Ehren halten“, erwiderte Flori. Schnappte sich das Paket und schrieb ’zu verschenken‘ auf die Oberseite.
Emilia und Flori haben gezeigt, dass es gar nicht so einfach ist, sich für wenig zu entscheiden. Es soll sich in erster Linie gut anfühlen.
Für mich wird es ein Übungsfeld und wer weiß schon, was am Ende dabei herauskommt. Vielleicht geht es euch ebenso.
Habt wieder eine wunderbare Zeit.
Adventskalender Geschichte 2024
Moin und Hallo
Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Geschichte.
Viel Spaß damit.
1 Mimi Sternenstaub, auch Engel 123 genannt saß in der himmlischen Krankenstation am Bett ihrer Freundin Mia Morgenstern.
Seit Mimi Mia gefunden hatte, verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Am Anfang war sie noch einen kurzen Moment bei Bewusstsein. „Du musst ihn retten. Versprich es mir“, waren ihre letzten Worte.
2 „Tiefe Erschöpfung“ war die Diagnose von Doktor Krumtiegel. „Auch Engel haben nur begrenzt Energie. Ist die Aufgabe zu schwer oder übermäßig lang, fallen sie in ein schützendes Koma“, hatte er ihr erklärt.
„Wo soll ich nur Information herbekommen?“, flüsterte Mimi und griff mit beide Händen in ihre rotblonde Lockenpracht und massierte die Kopfhaut. Den störenden Heiligenschein schob sie achtlos über einen ihrer Arme.
3 Ihre Gedanken liefen auf Hochtour. ‚Petrus scheidet aus. Der ist nicht da’ „Warum ist der Kerl eigentlich nie da, wenn man ihn braucht“, schimpfte sie vor sich hin. Sogleich war ein lautes Donnern zu hören. „Ja, Entschuldigung, ich weiß, kurz vor Weihnachten ist viel zu tun“, murmelte sie und zog den Kopf etwas tiefer. Ein himmlisches Donnerwetter konnte sie nun nicht gebrauchen.
4 „Ich hab’s. Das Berichtsheft.“ Mit einem Satz war Mimi auf den Beinen und stürzte wenige Minuten später in das Zimmer ihrer Freundin. Laut schnaufend blickte sie sich mit großen Augen um. Die Wände waren voller Fotos mit verschiedenen Personen. Von Alt bis jung war alles vertreten. An manchen Bildern war ein Harken, an anderen ein Strich. An einem Bild, es war in der Mitte, dominierte eine ganze Strichliste. „0 ha, ich ahne etwas.“
5 Das Berichtsheft lag auf dem Tisch und sie fing sofort an, es durchzuarbeiten. Es gab eine große Anzahl von verschiedenen Einsätzen und Handlungsorte. Ein Name wiederholte sich immer wieder. „Das muss er sein.“ Paul, zehn Jahre stand in krickeliger Schrift hinzugefügt. Dann folgte eine Liste.
– in Badeanstalt fast ertrunken a
– vom Baum gefallen a
– Wespe verschluckt a
– im Moor eingesunken a
– im Geheimgang verlaufen a
– n = Gefahr = Raus.hg..t g.fu..en, Py.ot.ch..k ?
6 „Ach, du liebe Güte. Kein Wunder, das Mia so erschöpft ist. Das Kerlchen ist ein richtiges Unglücksmagnet. Mimi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wurde aber schnell wieder ernst. „Wo bist du?“, flüsterte sie und durchforstete erneut die Aufzeichnungen nach Hinweisen auf den Aufenthaltsort. „a oder n? Was soll das denn heißen? Es muss doch irgendwo eine Legende geben.“ Wild schlackerte sie das Buch aus und förderte einen Zettel zutage.
7 a = alt
n = neu
„Okay, alt ist scheinbar schon abgehakt. n = neu scheint akut zu sein heißen. Gefahr ist klar, aber was steht dahinter? Das Gekritzel ist ja nicht zu entziffern.“ Vor sich her murmelnd schritt Mimi im Zimmer auf und ab. Schaut erneut an die Wand und legte die Unterlagen zurück auf den Schreibtisch. Direkt neben eine Tageszeitung.
8 — Rauschgifthändler frei— Die Überschrift sprang Mimi regelrecht entgegen. Die Polizei von Dummsdorf erlitt in den gestrigen Abendstunden eine erneute Schlappe. Nicht nur der Einbruch in der Pyrotechnikfabrik bleibt weiter ungelöst. Auch im Fall der verdächtigen Rauschgifthändler Rufus G. und Hannibal K. war das Ergebnis niederschlagend. Ohne Beute mussten sie frei gelassen werden. Die Polizei ist sich sicher, dass die Ware beider Verbrechen in der Nähe befinden. Die Bevölkerung wird zur Vorsicht aufgerufen.
9 „Das ist es. Der Buchstabensalat heißt: Rauschgift gefunden und Pyrotechnik.“ Mimi stieß die Luft aus und wedelte mit der Zeitung vor ihrem Gesicht auf und ab. Ihr war so heiß geworden, dass die Wangen glühten. ‚Paul hatte Teile der Ware entweder schon gefunden oder Mia hatte es befürchtet. Daher das Fragezeichen. Und bei seiner Trefferquote für Pech ist Paul garantiert mittendrin. Ich muss runter auf die Erde. Nach Dummsdorf.‘
10 Fern ab auf der Erde stapfte Paul mit einem Sack auf den Schultern durch den Schnee. „So ein paar blöde Gauner werden mich nicht daran hindern, den Rehen ihr Futter zu bringen. Bald ist Weihnachten“, schimpfte er laut vor sich hin und verteilte die gesammelten Kastanien und Eicheln in der Futterkrippe. Liebevoll legte er noch etwas Tannengrün dazu und betrachtete dann mit einem Lächeln sein Werk.
11 ‚So nun schnell nach Hause. Vielleicht sollte ich mir für Mama und Papa noch eine Notlüge ausdenken. Sicher ist sicher‘, überlegte Paul und dachte mit Unbehagen an den Ärger, den er zu Hause bekommen würde. Ohne auf den Weg zu achten, stand er plötzlich vor einer Hütte. „Cool, die habe ich ja noch nie gesehen. Mal kurz reinschauen kann doch nicht schaden, ist ein bisschen wie ein Abenteuer“, murmelte er und schob jeden Gedanken an Vernunft beiseite.
12 Innen war es recht schummerig, die geschlossenen Fensterläden ließen nur wenig Licht durch die Ritzen. Das Einzige, was kräftiger leuchtete, waren die weißen Tüten, die kreuz und quer auf dem Boden lagen. „Was ist das denn?“, wisperte er und dachte sogleich an den Zeitungsartikel, den sein Vater beim Frühstück laut vorgelesen hatte. „Wenn das hier was damit zu tun hat, habe ich ein Problem“, schoss es Paul durch den Kopf. Zumal er von weitem Stimmen hörte, die immer lauter wurden und näherkamen.
13 Im ersten Moment war Paul starr vor Schreck. ‚Die dürfen mich auf keinen Fall hier sehen‘ war sein alles beherrschender Gedanke. „Warum ist die Tür offen?“, schallte eine zornige Männerstimme von draußen rein. „Und Fußspuren sind hier auch überall.“
„Ja natürlich. Werden wohl unsere eigenen sein, oder schwebst du neuerdings. Die sind garantiert schon alt. Schau durch die Tür, alles da. Hier ist kein Mensch. Heute Nacht lagern wir den Stoff eh um“, erwiderte eine ruhige Stimme und schloss die Tür.
14 Paul saß noch eine ganze Weile in der Ecke und lauschte. „Puh, Glück gehabt. Die sind weg“, freute er sich. Es war totenstill. ‚Wie die Stimme gesagt hat, hier ist kein Mensch. Alle haben sich an die Warnung der Polizei gehalten‘. Paul lief es bei dem Gedanken eiskalt den Rücken herab. „Mit Stoff meinten die bestimmt das Rauschgift“, flüsterte er und drückte die Türklinke runter. Nichts passierte. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Mit hängendem Kopf stand er da und konnte ein Schluchzen nicht verhindern.
15 ‚Wenn doch nur Mia hier wäre. Ihr wäre bestimmt schon etwas Cooles eingefallen. Aber die kommt wohl nicht mehr zu mir.‘ Paul stöhnte leise, als er sich an die letzte Begegnung erinnert. Bei dem Gedanken, wie unfreundlich er zu ihr war, stiegen ihm erneut die Tränen in die Augen. „Mia, wenn du mich hörst. Es tut mir leid. Ich passe in Zukunft besser auf.“ Pauls Stimme zitterte. Sein Atem bildete kleine Wölkchen und die Kälte ließ ihn erschaudern.
16 Zögernd blickte er sich um, ob sein kleiner Schutzengel doch noch kommen würde und entdeckte einen Tisch. Schnell zündete er die darauf liegende Kerze an. Die Streichhölzer steckt er vorsichtshalber ein und seufzte erleichtert auf. ‚Vielleicht ist das Mias Hilfe‘, überlegte er und hielt die Kerze hoch, um besser sehen zu können. „Was ist das denn schon wieder?“, wisperte er, als er einen weiteren Raum entdeckte.
„Pyrotechnik. Wo habe ich das schon mal gehört?“
17 Mimi hatte sich sogleich auf den Weg gemacht. Dummsdorf war ein kleiner beschaulicher Ort mit Stadtpark und Fußgängerzone. Die Polizeistation, ein ehrwürdiger roter Klinkerbau, hatte Mimi schnell gefunden.
Im Besprechungsraum der SOKO-Rauschgift schlüpfte sie gerade noch rechtzeitig in eine breite Lücke neben einem Schrank, als sie Stimmen hörte und die Tür geöffnet wurde.
18 Ihr Herz klopfte bis zum Hals hoch. ‚Das fehlte noch, dass ich gesehen werde‘. Fast hätte sie laut gekichert bei der Vorstellung von dem Durcheinander, was sie hervorrufen würde. Aber Berufsgruppen, die dem Tod schon oft ins Auge geblickt hatten, konnten sie eventuell sehen.
„Also, das ist mein Plan“, eine zierliche rothaarige Frau, die sich als Hauptkommissarin Katja Rehbein vorgestellt hatte, erläuterte kurz darauf das Vorhaben.
19 Kaum war der Raum leer, entschwand Mimi. Sie hatte genug gehört. Zielort, Dummsdorfer Wald. „Der ist ja riesig“, stieß sie Augenblicke später entsetzt aus, als sie auf die Wanderkarte blickte.
„Wo kann ein kleiner Junge hier stecken“, grübelte sie laut vor sich hin. „Am See vielleicht oder am Futtergehege.“ Schnell hatte Mimi den ersten Platz abgehakt. „Nichts“. Am zweiten lagen Kastanien und eine Fußspur war zu sehen. „Kleine Füße, das könnte er sein.“
20 „Pyrotechnik, Böller, Feuerwerksraketen“, las er auf einem der Kartons. „Ach du Schreck“, mit einem Satz sprang Paul kreischend zurück. Schnell pustete er die Kerze aus. „Mia, ich könnte langsam Hilfe gebrauchen“, stöhnte er, als er ein Poltern hörte.
Kurz darauf öffnete sich mit einem lauten Quietschen eine Tür und zwei Männer betraten den Raum. „Bist du sicher, dass es klug ist, die Ware jetzt zu holen?“ Paul hielt die Luft an. ‚Das sind andere als vorhin. Hoffentlich finden die mich nicht‘, betete er im Stillen, nachdem er leise unter eine Holz Koje geschlüpft war.
21 Achtlos ging einer an ihm vorbei und griff sich einen großen Karton. „Klar, hier im Wald ist kein Mensch. Alle konzentrieren sich auf den Rauschgiftfall. Komm jetzt.“ Vergnügt und laut Pläne schmiedend wurde Teil für Teil nach draußen geschleppt. ‚Wie komme ich an denen vorbei’ Paul knetete seine Hände und überlegte fieberhaft. Dann stutze er und hörte mit klopfendem Herzen, wie nun auch die Vordertür leise geöffnet wurde.
22 Mimi war den Spuren weiter gefolgt. Je länger sie lief, je mehr Spuren kamen dazu. Alle führten sie zu einer Hütte. Vorsichtig schlich sie sich heran und suchte sich einen Platz, an dem sie beide Eingänge überblicken konnte. Was sie sah, ließen ihr die Haare zu Berge stehen. Zwei Männer waren an der Hintertür, zwei weitere schlichen sich vorne hinein. Ihr Gedanke, ‚Aber wo steckt Paul’ wurde sogleich von dem zornigen Geschrei mehrerer Personen überlagert.
23 „Jetzt aber flott, Mimi Sternenstaub“, trieb sie sich an und schlich behutsam zur Hintertür. Endlich konnte sie Paul unter einem Bett ausmachen. Sie benötigte drei Schneebälle, bis er endlich rauskam und sie anblickte. Wer …? Wo…?
„Pst, Paul pass auf. Mia schickt mich. Wir haben nur einen Versuch. Ich gehe an die Vordertür. Wenn ich pfeife, dann schließt du die Hintertür und legst den Riegel vor. Das muss klappen.“
24 „Paul, das hast du supergemacht. Mia wird stolz auf dich sein“, strahlte Mimi den kleinen Jungen nach erfolgreicher Arbeit an. „Meinst du wirklich? Pauls Stimme war leise. Mimi nickte heftig, sodass der Heiligenschein gefährlich hin und her rutschte.
„Auf jeden Fall. Aber nun sollten wir hier verschwinden. Hier wimmelt es bald von Menschen. Die Polizei ist im Anmarsch. Aber vorher zünden wir noch ein paar Raketen an.“
„Für Mia? Als Grüße?“ Paul hüpfte begeistert auf der Stelle und hielt Mimi nach einem kurzen Zögern die Streichhölzer hin. „Hier. Für heute hatte ich genug Abenteuer.“
„Super, das wollte ich immer schon mal tun“, strahlte diese
Oben im Himmel erfreute sich Mia an dem Feuerwerk und lächelte. „Danke ihr beiden. Mimi, ich wusste, du schaffst es.“