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Gedanken

Moin und Hallo

Schön, dass ihr wieder dabei seid. Der März kommt mit großen Schritten ins Land gezogen. Das bedeutet, es wird wieder heller. Die Tage werden länger. Merkt man schon. Ich finde, die Vögel sind richtig aktiv. Gestern konnte ich drei Meisen beobachten, die sich am Eingang eines Vogelhäuschens mächtig stritten. Ein paar Meter daneben hängt ein weiteres Haus, aber es ist wohl wie bei den Menschen. Manche Objekte sind einfach interessanter.
Als Startbild habe ich dieses Mal die Fische mitgebracht. Sie sind sowohl Sternzeichen als auch Krafttier. Momentan noch in den Tiefen unseres Miniteiches verschwunden. Ich frage mich, ob die auch schon in den Startlöchern stehen und die ein oder andere Wurzel belagern. Da kommt doch gleich meine Fantasie in Wallung. Und mein Gedankenuhrwerk startet.

Gedanken
Sie lassen mir keine Ruh,
sind ständig kreuz
auch gern mal quer
ganz unsortiert kommt sie daher.

Sie springen hin und her.
Der Kopf ist voll,
dann wieder leer.
Erhöhen das Chaos immer mehr.

Sie springen vor und rück.
Was morgen kommt,
was gestern war.
Sie machen mich verrückt.

Sie springen hoch hinaus.
In Vorstellungen man vieles kann,
doch unsortiert
kommt oft nichts dabei raus.

Gedanken
Sie tauchen in mich hinein.
Ins Herz und in die Seele bald.
Mit Fantasie,
so wird‘s wohl immer sein.

Mit den Gedanken ist das so eine Sache. Die können einen ganz schön auf Trab halten. Und mit dem Thema Fantasie bin ich auch noch nicht fertig.
Aber davon später. Habt wieder eine schöne Zeit.

Ein wundersamer Ort

Moin und Hallo
Schön, dass ihr wieder dabei seid.

Als Startbild habe ich heute eine Landschaft ausgewählt. Gerade jetzt in dieser Jahreszeit, finde ich, ist der Blick in den Garten oder über ein Feld recht übersichtlich. Ruhe für die Augen und den Geist.
Letztens legte sich zusätzlich Nebel über das Land und deckte es sanft zu. Es hat etwas gedauert, bis ich diese unaufgeregte und stille Zeit schätzen lernte. Die Welt im Nebel ist eine völlig andere. Der klare Durchblick fehlt. Manches lässt sich nur erahnen.
Das kann auch passieren, wenn man mit Themen konfrontiert wird, die im ersten Moment nicht richtig zuzuordnen sind.

Ein wundersamer Ort

Als ich sie das erste Mal sah, saß sie in einem Raum, der so dunkel war, dass ich von der Umgebung im ersten Moment nichts erkennen konnte. Es war totenstill, nicht ein Geräusch war zu hören. Kein Summen, kein Atmen, höchstens das Pfeifen in meinen Ohren. Bei absoluter Stille schrie mein Tinnitus wie verrückt.
Die Gestalt war klein und strahlte nicht nur als Erscheinung. Ihr Lächeln hatte auf mich eine freundliche und einladende Wirkung. Geradezu energiegeladen. Diese Helligkeit bildet den Kontrast zur Umgebung. Ich blickte mich kurz um zu der Tür, durch die ich gekommen war. Sie schien jetzt schon in der Umgebung zu verschwind. Zögerlich trat ich näher und blickte erstaunt zu ihr herab. Es war ein Kind. Ein kleines Mädchen mit braunen Locken und wunderschönen Augen in derselben Farbe, ähnlich meiner eigenen Haar- und Augenfarbe. Nur das mein Blick eher trüb und die Haare eher stumpf als glänzend anmuteten.
Das Mädchen trug ein schlichtes weißes Kleid und saß völlig entspannt auf dem Boden.
Ich hockte mich mit meinem alten grauen Jogginganzug neben sie und kam mir schäbig vor. „Hallo, meine Kleine. Wo kommst du denn her?“
„Du weißt, wo ich herkomme“, antwortete sie ruhig.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß weder, wer du bist, noch wo wir hier sind“, flüsterte ich. Es war nicht kalt im eigentlichen Sinn hier in diesem Raum, aber eine innere Kälte ließ mich frösteln.
Ein unangenehmes Gefühl bemächtigte sich meiner.
„Du brauchst keine Angst haben“, sprach die Kleine und legte wie zur Beruhigung ihre Hand auf meine. „Es ist gut, dass du gekommen bist. Es wird dir Klarheit bringen.“ Ich war erstaunt über ihre Äußerung und noch mehr darüber, wie warm ihre Hand war. Trotz des Hauches einer Berührung löste sie ein Gefühl von Zuversicht in mir aus.
„Schau dich um, dann wirst du es verstehen.“
„Was verstehen?“, wisperte ich.
Ich wartete noch einen Moment, ob sie noch etwas preisgeben würde, aber sie blieb stumm.
Der Raum erwies sich nicht als so düster, wie ich im ersten Moment geglaubt hatte. Er enthielt einiges an Mobiliar, das mich an meine Oma erinnerte. Ein großer runder Tisch, gleich dem, an dem ich immer mit ihr gespielt hatte. Meistens Halma. Bis mein Großvater von der Arbeit kam. Dann beherrschte er das Feld. Forderte den Platz, um an seinen Legohäusern zu bauen. Kein gemeinsam. Eher ein hab acht. Ich blieb trotzdem. Wenn ich anwesend war, blieb er friedlich. War Oma in Sicherheit. Seltsam. Ich hatte lange nicht daran gedacht. Ein leiser Schmerz erfüllt mich. Wie konnte ich es vergessen? Wie konnte ich sie vergessen?
„Du hast sie nicht vergessen. Sie ist ein Teil von dir. Das Leben geht weiter.“ Die Stimme der Kleinen war ruhig und liebevoll. „Immer. So im Guten, so im Schlechten.“
Ich schüttelte mich. Ein kalter Schauer durchlief mich. Trotzdem oder vielleicht auch genau deswegen schaute ich mich nach einer Feuerstelle um. Ich meinte, den Geruch von Rauch in der Nase zu haben, aber es war wohl eine Täuschung oder ein Wunschgedanke. Mein Blick blieb an einer Angel hängen. Gleich kam eine Erinnerung. An die Zeit, als ich mit meinem Vater oft zum Angeln gegangen bin. Immer der gleiche Ablauf. Früh aufstehen, Proviant einpacken und heißen Tee. Auf dem Weg Köder, meist Maden kaufen und für mich noch einen dicken Comic.
Das war eine schöne Zeit, erinnerte ich mich und mir wurde gleich wärmer. Vielleicht weil mein Herz schneller schlug. Auch daran hatte ich lange nicht gedacht, durchfuhr es mich sogleich und das wohlige Gefühl verschwand.
„Auch er ist ein Teil von dir“, hörte ich jetzt die Stimme des Kindes wieder. „Schau, was du noch entdecken kannst.“
Neben der Angel, etwas im Hintergrund waren einige Körbe gestapelt. Die dazugehörigen Decken rochen muffig. „Nach alter Hund“, rief ich und fing an zu lachen, während sich der Schmerz in mir ausbreitete und mir die Tränen die Wangen hinunterliefen.
„Was nützen mir die Erinnerungen. Sie tun nur weh. Alle haben mich verlassen“, schluchzte ich nun laut.
„Sie haben dich nicht verlassen. Sie sind weitergezogen. Solange du sie in deinem Herzen trägst, sind sie bei dir. Du bist nicht allein. Du wirst es niemals sein.“ Das kleine Mädchen umschloss mich mit einer Kraft, die ich ihr nie zugetraut hätte. „Ich bin die Hüterin deines Selbst und werde immer bei dir sein.“
Eingehüllt von dieser Gewissheit erwachte ich am Morgen in meinem Bett.
Was für ein komischer Traum, aber doch schön und beruhigend. Das muss an dem Artikel gelegen haben, den ich gestern Abend noch gelesen hatte, murmelte ich und blickte auf die Überschrift.
„Auch in schweren Zeiten – Das innere Kind verlässt dich nie.“

Es gibt viele wundersame Orte, die sich entdecken lassen.
Ich wünsche euch viel Vergnügen dabei.

Rosarot

Moin und Hallo

Schön, dass ihr wieder dabei seid.
2025 hat begonnen. Wie ihr auf er Startseite gesehen habt, ist mein diesjähriges Motto:
Weniger ist mehr.
Ein großes Feld der Möglichkeiten. Die Spanne der Sichtweise, was wenig oder mehr vielleicht sogar viel, ist manchmal sehr unterschiedlich. Ein Herzensstück, egal wie groß, klein, alt oder schäbig, kann einen unschätzbaren Wert darstellen.
Flori und Emilia in der folgenden Geschichte sind ein gutes Beispiel dafür.

„Hier. Habe ich vom Flohmarkt mitgebracht.“ Flori stellte das große Paket direkt vor Emilias Füße.
„Wieso mitgebracht?“ Emilia, die gerade auf dem Boden saß und die letzte Schublade wieder eingeräumt hatte, fuhr hoch. „Ich dachte, wir waren uns einig auszusortieren?“
Flori ging bei Emilias schrillen Ausruf automatisch ein kleines Stück rückwärts und nach einem kurzen Durchatmen wieder vor.
„Süße, das machen wir doch auch. Ich habe alles verkauft oder sogar verschenkt, was ich dabeihatte, aber bei diesem wunderbaren Geschirr konnte ich einfach nicht nein sagen.“ Flori schaute Emilia mit großen Augen an.
„Geschirr? Hast du mal in den Schrank geschaut. Wir haben genug davon.“ Emilia war aufgesprungen und hatte die Schranktür geöffnet. Ein Wirrwarr aus kunterbunten Tassen, Tellern und Schüsseln belagerten die Regale.
„Stimmt“, gab Flori zu. „Aber schau mal, es ist ein Sammelsurium von allem. Nichts passt zusammen. Wenn wir Besuch haben, dann ist es jedes Mal ein Kampf, den Tisch zu decken. Ehrlich Süße, die Sachen sind wirklich schon sehr oll und nicht mehr schön anzusehen. Wir können doch austauschen“, sprach Flori hastig weiter, den Moment nutzend, weil Emilia nichts erwiderte. „Dann ist alles neu und passt zusammen und wir haben trotzdem nicht mehr Teile im Schrank.“
„Ich dachte immer, es ist wichtig, was auf dem Teller liegt und nicht, ob er neu ist.“; fauchte Emilie und gab dem Paket einen Stoß. „Ich mag unsere zusammengesuchten Teile, alles Lieblingsstücke, an denen Erinnerungen hängen. Ich wusste gar nicht, dass du wie die Mamsell im Märchen bist.“
„Was für eine Mamsell? Was für ein Märchen? Kenn ich nicht“, maulte Flori und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Als Emilia nicht darauf reagierte, schaute er zu ihr hinunter. Emilia saß zusammengesunken und rührte sich nicht. Dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter.
„Sorry, Süße, ich fand die Lösung praktisch. Aber muss ja nicht sein.“ Er streichelte Emilie mit einer liebevollen Geste über das Haar, nahm dann zwei Tassen und den Tee aus dem Schrank, goss heißes Wasser aus dem alten Kessel über die Blätter und setzte sich neben Emilia.
„Magst du mir die Geschichte von der Mamsell erzählen?“
„Du wirst dich wundern. Es geht nur am Rande um die Mamsell“, antwortete sie mit einem zaghaften Lächeln.

Rosarot

Es war ein Mal. So fangen alle Märchen an. Aber diese Geschichte hier ist besonders. Sie ist wirklich und wahrhaftig so geschehen. Ich muss es wissen, denn ich war dabei.
„Es ist da“, hörte ich die Mamsell rufen. Aufgeregt wie die Gänseschar kurz vor Weihnachten, hüpfte sie um den großen Tisch in der Gutsküche herum. Das Teil, was sie so sehr in Verzückung brachte, war ein großes Paket, welches der Knecht in der Mittagsstunde aus der Stadt geholt hatte. Nun stand er schnaufend in der Tür und schaute sich suchend um. Der Schweiß lief ihm im Nacken entlang. „Auf den Tisch damit“, dirigierte die dralle Mamsell und schob ein Tablett, das für den Gutsherrn sein sollte, mit Schwung an den Rand. Rosarot, seine gemütliche Lieblingsteetasse dickwandig und solide schwappte etwas über. Bei so viel Elan hatte sie den Tee nicht halten können und so ergoss er sich über das Gebäck. „Ich will es sofort begutachten.“ Die Mamsell öffnete den Karton geschickt mit wenigen Griffen und stand dann mit gefalteten Händen und Tränen in den Augen davor. „So etwas Schönes und Zartes habe ich noch nie gesehen“, flüsterte sie.
Nacheinander holte sie das Porzellan aus der Verpackung. ‚so ein Theater wegen Geschirr? Echt jetzt?‘ Ich konnte es nicht fassen. Draußen waren 30 Grad und hier war eine Stimmung wie zum Jahreswechsel kurz vor dem Bleigießen. Unbeeindruckt machte ich einen langen Hals und betrachtete die dünnwandigen Teile. Die Tassen so zart, dass mir Angst und bang wurde. Das Milchkännchen reckte seine Nase hochnäsig nach oben. Der Zuckerpott, sehr präsent, schob seine Henkel weit nach außen und stieß dabei die Kanne an, die das sogleich mit einem zarten „Plng“ honorierte.
„Oh, wird der Herr sich freuen. Endlich ein elegantes Geschirr und nicht so ein klobiges Teil“, frohlockte die Mamsell, nachdem sie die neuen Teile abgewaschen hatten. „Du hast nun endlich ausgedient“, schnaufte sie und nahm die alte Tasse, die ein „Huch“ ausstieß und goss mit einem Griff den Inhalt in die Spüle.
Ich schaute entsetzt zu Rosarot. Ich schwöre, sie wurde ganz farblos und hauchte so sanft ein „oh nein“, dass es einem letzten Atemzug glich.
„Ach meine Liebe“, flüsterte ich, „das hast du nicht verdient.“
Die Mamsell schob sie achtlos in ein Regal und Rosarot duckte sich und versteckte sich weit hinter dem anderen Geschirr. Bleich und kaum zu sehen stand sie da und gab kein Laut mehr von sich.

Die Monate gingen ins Land und das Jahr neigte sich dem Ende zu. Das zarte neue Geschirr wurde jeden Tag genutzt und war längst nicht mehr der ganze Stolz der Mamsell. Inzwischen hatte die ein oder andere Tasse einen Sprung, so mancher Henkel war abgebrochen und der Herr beschwerte sich darüber, der er sich laufend die Finger verbrannte. Eines Morgens war ihm dann endgültig der Kragen geplatzt, nachdem eine der Tassen nach einem kurzen „Knack“ den Inhalt über ihm ausgebreitet hatte. Seine zornige Stimme konnte ich bis in die Küche hören. Und nicht nur ich. Die Mamsell kam mit hochrotem Kopf an den Tisch und ihre Hände flatterten, als sie das Tablett hinstellte. „Er will seine alte Tasse wieder haben“, flüsterte sie. „Wo soll ich die denn hernehmen?“ Dicke Tränen liefen ihr das Gesicht hinab und ich muss gestehen, sie tat mir fast ein bisschen leid. Schwer atmend durchsuchte sie das Regal. „Nichts“, stöhnte sie, während ihr hochrotes Gesicht bleich und bleicher wurde.
„Die Post ist da.“ Der Knecht klatschte die Briefe auf den Tisch und sah die Mamsell an. „Wie siehst du denn aus?“
„Die Tasse, ich suche die Rosarote. Sie ist weg“, schluchzte sie nun laut.
„Mm, lass mal überlegen. Die habe ich irgendwo gesehen. Vielleicht in der Speisekammer?“
Die Mamsell suchte. „Nichts.“
„Unter der Spüle?“
Die Mamsell schaute nach. „Nichts.“
„Vielleicht in einem der Zimmer?“
Die Mamsell rannte durchs ganze Haus. „Nichts“, schnaufte sie und ließ sich auf den Küchenstuhl fallen.
„Jetzt weiß ich es“, rief der Knecht freudestrahlend. „Bei den Tagelöhnern auf dem Feld. Juri hat sie als Kaffeetasse genutzt oder für Wodka oder Suppe oder was auch immer.“
„Aber die Truppe ist doch seit Wochen weg.“ Die Mamsell raufte sich die Haare, dass ihr Dutt ganz schief saß. „Nun ist alles verloren.“ Ihre Stimme war nur noch ein Wispern.
„Nicht unbedingt. Ich habe da noch eine Idee.“ Ehe die Mamsell etwas sagen konnte, war der Knecht aus der Küche gestürmt.
Kurze Zeit später kam er mit einem schmuddeligen, mit Strohhalmen gespickte Teil zurück.
„Jesas, das ist sie“, rief die Mamsell und klatschte in die Hände. Dann nahm sie Rosarot vorsichtig entgegen und drückte sie an ihre beachtliche Brust. „Oh meine Liebe, nie wieder werde ich dich achtlos behandeln, nur weil etwas Neues kommt. Das Bewährte ist oft viel wertvoller, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennt.“
Nach einem Schaumbad und einigen Polituren strahlte Rosarot leuchtender als jemals zuvor. Als sie mit Tee gefüllt auf dem Tablett stand, zwinkerte sie mir mit einem ihrer roten Punkte zu. Und so wahr ich hier stehe, wenn ich gekonnt hätte, wären mir ein paar Tränen gekommen.

So zog wieder Frieden ins Haus und alle lebten glücklich und zufrieden. Ihr könnt mir glauben. Es hat sich alles so zugetragen. Ich war dabei und ein Wasserkessel sagt immer die Wahrheit.
Flori hatte gespannt zugehört und erwachte nun, als Emilia geendet hatte wie aus einem Traum. Er blickte zuerst zu ihr, dann schaute er auf den alten Wasserkessel und zum Schluss auf die Tasse, die sie in der Hand hielt. Sie war alt und rosa mit roten Punkten. Er schluckte. „Wie kann das sein?“ Emilia zuckte die Schultern und lächelte. „Keine Ahnung. Meine Oma hat mir das Märchen immer erzählt, als ich noch ganz klein war. Nachdem sie gestorben war, habe ich in einer Kiste auf dem Dachboden wenige alte Teile gefunden, Sie sind nicht mehr so schön, aber für mich mehr wert als irgendwelche neue.“
„Dann wollen wir „Rosarot“ in Ehren halten“, erwiderte Flori. Schnappte sich das Paket und schrieb ’zu verschenken‘ auf die Oberseite.

Emilia und Flori haben gezeigt, dass es gar nicht so einfach ist, sich für wenig zu entscheiden. Es soll sich in erster Linie gut anfühlen.
Für mich wird es ein Übungsfeld und wer weiß schon, was am Ende dabei herauskommt. Vielleicht geht es euch ebenso.
Habt wieder eine wunderbare Zeit.

Adventskalender Geschichte 2024

Moin und Hallo

Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Geschichte.
Viel Spaß damit.

1 Mimi Sternenstaub, auch Engel 123 genannt saß in der himmlischen Krankenstation am Bett ihrer Freundin Mia Morgenstern.
Seit Mimi Mia gefunden hatte, verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Am Anfang war sie noch einen kurzen Moment bei Bewusstsein. „Du musst ihn retten. Versprich es mir“, waren ihre letzten Worte.

2 „Tiefe Erschöpfung“ war die Diagnose von Doktor Krumtiegel. „Auch Engel haben nur begrenzt Energie. Ist die Aufgabe zu schwer oder übermäßig lang, fallen sie in ein schützendes Koma“, hatte er ihr erklärt.
„Wo soll ich nur Information herbekommen?“, flüsterte Mimi und griff mit beide Händen in ihre rotblonde Lockenpracht und massierte die Kopfhaut. Den störenden Heiligenschein schob sie achtlos über einen ihrer Arme.

3 Ihre Gedanken liefen auf Hochtour. ‚Petrus scheidet aus. Der ist nicht da’ „Warum ist der Kerl eigentlich nie da, wenn man ihn braucht“, schimpfte sie vor sich hin. Sogleich war ein lautes Donnern zu hören. „Ja, Entschuldigung, ich weiß, kurz vor Weihnachten ist viel zu tun“, murmelte sie und zog den Kopf etwas tiefer. Ein himmlisches Donnerwetter konnte sie nun nicht gebrauchen.

4 „Ich hab’s. Das Berichtsheft.“ Mit einem Satz war Mimi auf den Beinen und stürzte wenige Minuten später in das Zimmer ihrer Freundin. Laut schnaufend blickte sie sich mit großen Augen um. Die Wände waren voller Fotos mit verschiedenen Personen. Von Alt bis jung war alles vertreten. An manchen Bildern war ein Harken, an anderen ein Strich. An einem Bild, es war in der Mitte, dominierte eine ganze Strichliste. „0 ha, ich ahne etwas.“

5 Das Berichtsheft lag auf dem Tisch und sie fing sofort an, es durchzuarbeiten. Es gab eine große Anzahl von verschiedenen Einsätzen und Handlungsorte. Ein Name wiederholte sich immer wieder. „Das muss er sein.“ Paul, zehn Jahre stand in krickeliger Schrift hinzugefügt. Dann folgte eine Liste.
– in Badeanstalt fast ertrunken a
– vom Baum gefallen a
– Wespe verschluckt a
– im Moor eingesunken a
– im Geheimgang verlaufen a
– n = Gefahr = Raus.hg..t g.fu..en, Py.ot.ch..k ?

6 „Ach, du liebe Güte. Kein Wunder, das Mia so erschöpft ist. Das Kerlchen ist ein richtiges Unglücksmagnet. Mimi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wurde aber schnell wieder ernst. „Wo bist du?“, flüsterte sie und durchforstete erneut die Aufzeichnungen nach Hinweisen auf den Aufenthaltsort. „a oder n? Was soll das denn heißen? Es muss doch irgendwo eine Legende geben.“ Wild schlackerte sie das Buch aus und förderte einen Zettel zutage.

7 a = alt
n = neu
„Okay, alt ist scheinbar schon abgehakt. n = neu scheint akut zu sein heißen. Gefahr ist klar, aber was steht dahinter? Das Gekritzel ist ja nicht zu entziffern.“ Vor sich her murmelnd schritt Mimi im Zimmer auf und ab. Schaut erneut an die Wand und legte die Unterlagen zurück auf den Schreibtisch. Direkt neben eine Tageszeitung.

8 — Rauschgifthändler frei— Die Überschrift sprang Mimi regelrecht entgegen. Die Polizei von Dummsdorf erlitt in den gestrigen Abendstunden eine erneute Schlappe. Nicht nur der Einbruch in der Pyrotechnikfabrik bleibt weiter ungelöst. Auch im Fall der verdächtigen Rauschgifthändler Rufus G. und Hannibal K. war das Ergebnis niederschlagend. Ohne Beute mussten sie frei gelassen werden. Die Polizei ist sich sicher, dass die Ware beider Verbrechen in der Nähe befinden. Die Bevölkerung wird zur Vorsicht aufgerufen.

9 „Das ist es. Der Buchstabensalat heißt: Rauschgift gefunden und Pyrotechnik.“ Mimi stieß die Luft aus und wedelte mit der Zeitung vor ihrem Gesicht auf und ab. Ihr war so heiß geworden, dass die Wangen glühten. ‚Paul hatte Teile der Ware entweder schon gefunden oder Mia hatte es befürchtet. Daher das Fragezeichen. Und bei seiner Trefferquote für Pech ist Paul garantiert mittendrin. Ich muss runter auf die Erde. Nach Dummsdorf.‘

10 Fern ab auf der Erde stapfte Paul mit einem Sack auf den Schultern durch den Schnee. „So ein paar blöde Gauner werden mich nicht daran hindern, den Rehen ihr Futter zu bringen. Bald ist Weihnachten“, schimpfte er laut vor sich hin und verteilte die gesammelten Kastanien und Eicheln in der Futterkrippe. Liebevoll legte er noch etwas Tannengrün dazu und betrachtete dann mit einem Lächeln sein Werk.

11 ‚So nun schnell nach Hause. Vielleicht sollte ich mir für Mama und Papa noch eine Notlüge ausdenken. Sicher ist sicher‘, überlegte Paul und dachte mit Unbehagen an den Ärger, den er zu Hause bekommen würde. Ohne auf den Weg zu achten, stand er plötzlich vor einer Hütte. „Cool, die habe ich ja noch nie gesehen. Mal kurz reinschauen kann doch nicht schaden, ist ein bisschen wie ein Abenteuer“, murmelte er und schob jeden Gedanken an Vernunft beiseite.

12 Innen war es recht schummerig, die geschlossenen Fensterläden ließen nur wenig Licht durch die Ritzen. Das Einzige, was kräftiger leuchtete, waren die weißen Tüten, die kreuz und quer auf dem Boden lagen. „Was ist das denn?“, wisperte er und dachte sogleich an den Zeitungsartikel, den sein Vater beim Frühstück laut vorgelesen hatte. „Wenn das hier was damit zu tun hat, habe ich ein Problem“, schoss es Paul durch den Kopf. Zumal er von weitem Stimmen hörte, die immer lauter wurden und näherkamen.

13 Im ersten Moment war Paul starr vor Schreck. ‚Die dürfen mich auf keinen Fall hier sehen‘ war sein alles beherrschender Gedanke. „Warum ist die Tür offen?“, schallte eine zornige Männerstimme von draußen rein. „Und Fußspuren sind hier auch überall.“
„Ja natürlich. Werden wohl unsere eigenen sein, oder schwebst du neuerdings. Die sind garantiert schon alt. Schau durch die Tür, alles da. Hier ist kein Mensch. Heute Nacht lagern wir den Stoff eh um“, erwiderte eine ruhige Stimme und schloss die Tür.

14 Paul saß noch eine ganze Weile in der Ecke und lauschte. „Puh, Glück gehabt. Die sind weg“, freute er sich. Es war totenstill. ‚Wie die Stimme gesagt hat, hier ist kein Mensch. Alle haben sich an die Warnung der Polizei gehalten‘. Paul lief es bei dem Gedanken eiskalt den Rücken herab. „Mit Stoff meinten die bestimmt das Rauschgift“, flüsterte er und drückte die Türklinke runter. Nichts passierte. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Mit hängendem Kopf stand er da und konnte ein Schluchzen nicht verhindern.

15 ‚Wenn doch nur Mia hier wäre. Ihr wäre bestimmt schon etwas Cooles eingefallen. Aber die kommt wohl nicht mehr zu mir.‘ Paul stöhnte leise, als er sich an die letzte Begegnung erinnert. Bei dem Gedanken, wie unfreundlich er zu ihr war, stiegen ihm erneut die Tränen in die Augen. „Mia, wenn du mich hörst. Es tut mir leid. Ich passe in Zukunft besser auf.“ Pauls Stimme zitterte. Sein Atem bildete kleine Wölkchen und die Kälte ließ ihn erschaudern.

16 Zögernd blickte er sich um, ob sein kleiner Schutzengel doch noch kommen würde und entdeckte einen Tisch. Schnell zündete er die darauf liegende Kerze an. Die Streichhölzer steckt er vorsichtshalber ein und seufzte erleichtert auf. ‚Vielleicht ist das Mias Hilfe‘, überlegte er und hielt die Kerze hoch, um besser sehen zu können. „Was ist das denn schon wieder?“, wisperte er, als er einen weiteren Raum entdeckte.
„Pyrotechnik. Wo habe ich das schon mal gehört?“

17 Mimi hatte sich sogleich auf den Weg gemacht. Dummsdorf war ein kleiner beschaulicher Ort mit Stadtpark und Fußgängerzone. Die Polizeistation, ein ehrwürdiger roter Klinkerbau, hatte Mimi schnell gefunden.
Im Besprechungsraum der SOKO-Rauschgift schlüpfte sie gerade noch rechtzeitig in eine breite Lücke neben einem Schrank, als sie Stimmen hörte und die Tür geöffnet wurde.

18 Ihr Herz klopfte bis zum Hals hoch. ‚Das fehlte noch, dass ich gesehen werde‘. Fast hätte sie laut gekichert bei der Vorstellung von dem Durcheinander, was sie hervorrufen würde. Aber Berufsgruppen, die dem Tod schon oft ins Auge geblickt hatten, konnten sie eventuell sehen.
„Also, das ist mein Plan“, eine zierliche rothaarige Frau, die sich als Hauptkommissarin Katja Rehbein vorgestellt hatte, erläuterte kurz darauf das Vorhaben.

19 Kaum war der Raum leer, entschwand Mimi. Sie hatte genug gehört. Zielort, Dummsdorfer Wald. „Der ist ja riesig“, stieß sie Augenblicke später entsetzt aus, als sie auf die Wanderkarte blickte.
„Wo kann ein kleiner Junge hier stecken“, grübelte sie laut vor sich hin. „Am See vielleicht oder am Futtergehege.“ Schnell hatte Mimi den ersten Platz abgehakt. „Nichts“. Am zweiten lagen Kastanien und eine Fußspur war zu sehen. „Kleine Füße, das könnte er sein.“

20 „Pyrotechnik, Böller, Feuerwerksraketen“, las er auf einem der Kartons. „Ach du Schreck“, mit einem Satz sprang Paul kreischend zurück. Schnell pustete er die Kerze aus. „Mia, ich könnte langsam Hilfe gebrauchen“, stöhnte er, als er ein Poltern hörte.
Kurz darauf öffnete sich mit einem lauten Quietschen eine Tür und zwei Männer betraten den Raum. „Bist du sicher, dass es klug ist, die Ware jetzt zu holen?“ Paul hielt die Luft an. ‚Das sind andere als vorhin. Hoffentlich finden die mich nicht‘, betete er im Stillen, nachdem er leise unter eine Holz Koje geschlüpft war.

21 Achtlos ging einer an ihm vorbei und griff sich einen großen Karton. „Klar, hier im Wald ist kein Mensch. Alle konzentrieren sich auf den Rauschgiftfall. Komm jetzt.“ Vergnügt und laut Pläne schmiedend wurde Teil für Teil nach draußen geschleppt. ‚Wie komme ich an denen vorbei’ Paul knetete seine Hände und überlegte fieberhaft. Dann stutze er und hörte mit klopfendem Herzen, wie nun auch die Vordertür leise geöffnet wurde.

22 Mimi war den Spuren weiter gefolgt. Je länger sie lief, je mehr Spuren kamen dazu. Alle führten sie zu einer Hütte. Vorsichtig schlich sie sich heran und suchte sich einen Platz, an dem sie beide Eingänge überblicken konnte. Was sie sah, ließen ihr die Haare zu Berge stehen. Zwei Männer waren an der Hintertür, zwei weitere schlichen sich vorne hinein. Ihr Gedanke, ‚Aber wo steckt Paul’ wurde sogleich von dem zornigen Geschrei mehrerer Personen überlagert.

23 „Jetzt aber flott, Mimi Sternenstaub“, trieb sie sich an und schlich behutsam zur Hintertür. Endlich konnte sie Paul unter einem Bett ausmachen. Sie benötigte drei Schneebälle, bis er endlich rauskam und sie anblickte. Wer …? Wo…?
„Pst, Paul pass auf. Mia schickt mich. Wir haben nur einen Versuch. Ich gehe an die Vordertür. Wenn ich pfeife, dann schließt du die Hintertür und legst den Riegel vor. Das muss klappen.“

24 „Paul, das hast du supergemacht. Mia wird stolz auf dich sein“, strahlte Mimi den kleinen Jungen nach erfolgreicher Arbeit an. „Meinst du wirklich? Pauls Stimme war leise. Mimi nickte heftig, sodass der Heiligenschein gefährlich hin und her rutschte.
„Auf jeden Fall. Aber nun sollten wir hier verschwinden. Hier wimmelt es bald von Menschen. Die Polizei ist im Anmarsch. Aber vorher zünden wir noch ein paar Raketen an.“
„Für Mia? Als Grüße?“ Paul hüpfte begeistert auf der Stelle und hielt Mimi nach einem kurzen Zögern die Streichhölzer hin. „Hier. Für heute hatte ich genug Abenteuer.“
„Super, das wollte ich immer schon mal tun“, strahlte diese

Oben im Himmel erfreute sich Mia an dem Feuerwerk und lächelte. „Danke ihr beiden. Mimi, ich wusste, du schaffst es.“

Es ist alles eine Sache der Betrachtung

Moin und Hallo

Schön, dass ihr bei mir reinschaut. Heute habe ich als Startbild zwei Nymphen mitgebracht. Ich besaß vor vielen Jahren selbst welche. Auch diese waren gesellig und verschmust. Meistens waren sie außerhalb des Käfigs unterwegs und einer der beiden war ein Meister im Blumenkillen. Die Stängel standen dann wie Zinnsoldaten in der Runde aufgereiht in der Vase. Die Köpfe lagen kunstvoll drapiert auf der Tischplatte und fristete ihr Dasein. Die Entscheidung, ob ich darüber lache oder mich ärgerte, lag bei mir.
Im Endeffekt kommt es auf die persönliche Einstellung drauf an. Sie kann beflügeln oder bremsen. So ergeht es auch Klara im folgenden Text.

Ich hatte es mir auf meinem Yogakissen bequem gemacht. Die Beine gekreuzt, der Oberkörper gestreckt, das Kinn leicht gebeugt. So hatte ich es gelernt. So sollte es bestenfalls sein. Aber so aufgeputscht vom ganzen Tag funktionierte es mal rein gar nicht. Im Moment drückte und kniff es noch an allen Ecken und Kanten. Mein Geist kreiste wie eine Herde Affen in meinem Kopf herum.
Laut schnaufend riss ich die Augen wieder auf. „So wird das nie was.“ Ich zog das Kissen unter mir weg und knetete und klopfte es anständig durch. Nun war es etwas höher und ich startete einen neuen Versuch. „Geht doch.“
Mit dem Sitz war ich inzwischen zufrieden. Nur die Gedanken waren noch sehr aktiv. Also ziehen lassen. Das hatte ich oft geübt. Wolken eigneten sich dafür prima. Gedanke rein und ab damit. Zwei, dreimal gelang es mir, dann rückte ein Geräusch in den Vordergrund. Draußen vor meinem Fenster hatte sich ein kleiner Vogel entschieden sein Abendlied lautstark zu präsentieren.
Ich riss die Augen erneut auf und scannte suchend die Fensterbank ab. Nichts zu sehen. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Echt jetzt. Wie soll ich Meditieren lernen, wenn hier so ein Krach herrscht“, schnauzte ich laut und schloss wieder die Augen. Nun war es still. ‚Den habe ich jetzt bestimmt vertrieben. Der arme Vogel. Er macht mir ein Geschenk und ich erkenne es nicht einmal als solches.‘
Das schlechte Gewissen macht sich direkt körperlich bemerkbar. Unruhig klopfte mein Herzen ohne jede Taktung. Das war mir in der letzten Zeit schon des Öfteren aufgefallen. Es war wieder da. Ich kannte es. Alle paar Jahre trat sie auf. Die wilde Zeit meines Herzens.
‚Das trägt auch nicht gerade zur Beruhigung bei.‘ Wieder ein Gedanke der sich einschlich. Oder wohl eher eine Erkenntnis. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich auf eine Atemübung.
Einatmen und dabei bis vier zählen. Luft anhalten und bis vier zählen, Ausatmen und bis sechs zählen, Luft anhalten und wieder bis vier zählen. Normalerweise sollte ich je ein Nasenloch zuhalten, zur Wechselatmung. Ich drückte ein Nasenloch zu. Kam aus dem Takt. Hielt die Luft vollkommen an und lauschte. Wartete. ‚Ob ich den Gesang doch wieder vernehmen kann?‘ Aber nichts. Stille.
Die Traurigkeit sprang mich hinterrücks an wie ein wildes Tier. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe mich nicht. Ich mag Vögel gerne. Alle Tiere, sogar Insekten. Okay, Mücken nicht so sehr, aber die Natur im Allgemeinen. Und nun sitze ich mit Scheuklappen auf meinem Kissen und beiße um mich. Schon erhöhte sich der Druck im Körper. Mein Herz schlug wieder Kapriolen.
Ich registrierte die Sonderschläge und nahm dieses Mal meine Gedanken in Empfang. Lud sie ein. Ganz bewusst. ‚Warum kann ich die Dinge nicht akzeptieren, wie sie sind?‘
Je länger ich mich mit der Frage beschäftigte, je klarer trat eine mögliche Antwort empor. ‚Das ist das Leben. Es ist nicht alles so, wie man es möchte. Es lässt sich weder alles regeln noch bestimmen, oder kontrollieren.‘
Ich ließ die Erkenntnis einen Moment auf mich wirken. Wie zur Bestätigung drang das Vogelgezwitscher in mein Bewusstsein. Eine zweite Chance die Sichtweise zu ändern. Einen frischen Blick zu bekommen. Meine Einstellung korrigieren, den Fokus umsetzten. Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht. ‚Oh wie schön es sich anhörte.‘

Wie immer im Leben ist alles eine Betrachtungssache. Die Meinungen grätschen oft auseinander. Wie bei meinen Nymphen. Von niedlich bis schäbig, von oh wie herzig, bis die haben bestimmt Milben. Da war viel Raum für Sichtweisen. Aber mit einem wohlwollenden Blick auf eine Situation war und ist es leichter.
In diesem Sinne. Habt wieder eine schöne Zeit.

Mutig

Moin und Hallo
Schön, euch wieder dabei zu haben.
Es gibt Zeiten im Leben, da läuft man einfach so in seinem Trott. Oft in schwierigen Lebenssituationen. Es benötigt schon sehr viel Kraft, eine Kursänderung zu starten. Bella im folgenden Text macht sich gerade auf den Weg.

„Du musst dieses Mal allein gehen.“
Bella las die WhatsApp zum wiederholten Male. Ihre Freundin hatte im letzten Moment abgesagt.
Ein kalter Schauer lief Bella den Rücken herab und ließ sie nach Luft schnappen. Wieder ein einsames Wochenende. Der Gedanke war sofort da. Es würden nur noch wenigen Minuten dauern, bis sich eine Maschinerie der Verzweiflung in Gang setzte. Zähne klappern, kalte Hände, Schwindel und zu guter Letzt Kopfschmerzen. Mit der Gewissheit, dass Fridas Absage gar nicht das Thema war, sondern das es ihre eigene Unsicherheit, ihr eigenes Unvermögen war, was sie immer wieder ausbremste. Sie erkannte die ersten Anzeichen einer Panikattacke.
Schloss kurz ihre Augen, um sie im nächsten Augenblick wieder aufzureißen und mit dem Fuß aufzustampfen.
„Heute nicht“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.
Einer Flucht gleichend schnappte sie ihr Handy und den Rucksack und stürmte aus der Wohnung. „Ich gehe jetzt wandern. Allein. Basta.“ Mit zorniger Bockigkeit jagte sie zur Bushaltestelle. „Nur nicht stehen bleiben.“ Mantra mäßig den Satz vor sich hin murmelnd versuchte sie ihre aufkommenden Gedanken in Schach zu halten. Was ist, wenn ich mich verlaufe oder stürze und mich verletze. Wie erwartet sah sie das Szenarium regelrecht vor sich. Sie lag mit zerschundenen Gliedern auf einem Geröllfeld.
„Gib es auf. Das schaffst du sowieso nicht.“ Ein bekanntes Teufelchen auf ihrer Schulter kicherte so laut, dass sich Bella fragte, ob es anderen Menschen auch hören würden. Sie sah sich um.
Scheinbar nicht. Die Gruppe an der Bushaltestelle diskutierte gerade, wo der beste Einstieg für ihre Tour war. Die Normalität und das Miteinander dieser fremden Menschen holten Bella aus ihrem Tunnel.
„Gehörst du auch zu der Pichler Tour?“ Eine Frau hatte sich Bella genähert.
„Nein, ich bin heute Einzelläufer.“ Der Satz hörte sich in Bellas Ohren ungewohnt an. Aber auch irgendwie gut. „Ganz schön mutig“ kam es von der Frau. „Das würde ich mich nicht trauen.“
„Hat sich so ergeben“, erwiderte Bella und ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie kam sich wie eine Betrügerin vor. Aber auf keinen Fall wollte sie zugeben, dass sie schon seit Ewigkeiten nichts mehr allein unternommen hatte. Das sie sich in den letzten Jahren immer mehr in Abhängigkeiten manövriert und sich bequem zurückgelehnt hatte. Nichts entscheiden kann auch von Vorteil sein. Aber nur scheinbar und es ist eine Sackgasse. Da muss ich dringend mal etwas dran ändern, nahm sich Bella nun im Stillen vor.
Ihre Gedanken wurden durch eine aufkommende Unruhe unter den Wartenden unterbrochen. Der Bus kam. Die Plätze waren schnell eingenommen und die Diskussion, welche Wanderapp die beste sei, erfüllte den Raum.
Bella durchfuhr es heiß. Sie hatte keine. Einen Moment überlegte sie, ob sie die anderen Wanderer fragen sollte, wie sie herankäme. Aber die Blöße wollte sie sich nicht geben.
„Mutig“ hatte sich so gut angehört. Das hatte schon lange keiner mehr zu ihr gesagt. Nicht einmal sie selbst.
Die Fahrt war kurz und ehe sie sich versah, waren alle ausgestiegenen und hatten ihr viel Spaß gewünscht.
Ihren ersten Impuls, sich einfach anzuschließen oder hinterherzulaufen, verwarf sie. Mutig, das Wort kam ihr wieder in den Sinn. Klang ein bisschen wie Abenteuer.
So war sie erst zögerlich und dann zu schnell gelaufen. Nervös hatte sie falsch geatmet und nicht recht auf den Weg geachtet. Nun stand sie schnaufend mit Seitenstechen im Irgendwo. Ihr Herz klopfte laut. Einatmen, Ausatmen. Kam die Panik? Warten. Lauschen. Nein, noch mal gut gegangen. Erleichtert blieb sie noch einen Augenblick stehen.
Um sie herum war wunderbares Vogelgezwitscher und die Luft roch herrlich nach, ja wo nach? Würzig und Freiheit. Der Wind ließ die Blätter hoch in den Bäumen rauschen. In der Ferne konnte sie Stimmen vernehmen. Kurz spürte sie das unangenehme Gefühl der Unsicherheit in ihrer Magengegend. Ob das die lustige Truppe war? Hoffentlich. Sie stand hier mutterseelenallein auf weiter Flur.
„Na Bella, ist ja nicht weit her mit deinem Mut.“ Das Teufelchen auf ihre Schulter kicherte schon wieder.
Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, aber was sollte das bringen. Den eigenen Ängsten muss man sich stellen oder sie akzeptieren. Sie überlegte kurz, ob sie nicht doch besser mit den anderen gegangen wäre. Aber nein. Heute wollte sie mutig sein. Hier und jetzt war sie genau richtig.
An der nächsten Biegung standen eine Vielzahl von Schildern und zeigten die einzelnen Touren auf. Für sie ging es weiter gerade aus. Bald hatte sich ein Laufrhythmus eingestellt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas habe, staunte Bella über sich selbst und folgte dem angezeigten Weg.
Wie im Leben gab es an jeder Biegung etwas zu entdecken. Zum ersten Mal seit langem nahm sie sich Zeit. Nur für sich. Und wurde ruhiger. Gewöhnte sich an ihre Umgebung, an die Geräusche. Erkannte das nicht bei jedem Knacken etwas Schreckliches folgen musste. Ständige Angst aber Folgen hatte. So ließ sie die Gedanken kommen und gehen, ähnlich den Wolken, die über ihr entlang zogen.
Schritt über den mit Wurzel durchsetzen Waldboden. Registrierte ihre Sorge über einen Sturz und ging trotzdem weiter. Mutig war ihr neues Mantra für die Zukunft. Sie bestaunte die verschiedenen Formen und Farben der einzelnen Bäume und Blätter. Manche Waldfrucht lag am Boden und knackte unter ihren Füßen und entfaltete dabei den typischen Geruch von Kastanien, Eicheln oder Bucheckern.
An der nächsten Biegung standen wieder Schilder. Ihres war nicht dabei. Die Unruhe überfiel sie wie ein Ungeheuer aus der Tiefe. Das Gedankenkarussell begann sich zu drehen.
Ich habe mich verlaufen. Was mache ich denn nun?
Hitze stieg in ihr auf und sie spürte den Kragen ihres T-Shirts, der an ihrer Kehle drückte. Sie zog daran und atmete. Erst hastig, dann kräftiger und befreiend. Ihr Blick wurde wieder klarer und fiel erneut auf die Beschilderung. Ihr Wegweiser hatte sich gelockert und war etwas abgerutscht, daher hatte sie ihn übersehen. Fast hätte sie vor Erleichterung hysterisch aufgelacht.
„Man Bella mit dem mutig seine müssen wir aber noch üben“, murmelte sie ihrem Teufelchen zuvorkommend vor sich hin und folgte weiter dem Weg, der nun breiter wurde. Die Landschaft veränderte sich. Der Wald wurde lichter, der Boden feuchter. Bella ging nun wieder etwas langsamer. Nicht mehr so schwungvoll wie zuvor, aber doch friedlich und rhythmisch. Ihrer Müdigkeit und den Kraftanstrengungen angepasst setzte sie Schritt vor Schritt und ließ den Tag Revue passierend.
Von weitem konnte sie schon den Verkehrslärm erahnen. Bald war ihre Wanderung zu Ende. Vor einer Brücke machte sie halt. In dem Bachlauf tummelten sich kleine Fische.
Bella setzte sich auf eine Bank und beobachte ihr munteres Treiben. Dankbarkeit war das Wort, welches ihr durch den Kopf schoss. Dankbarkeit für die Erkenntnis.
Allein bedeutet nicht einsam.

Bella ist gestartet. Hat sich mutig auf den Weg gemacht. Auf ihren Weg.
Mit ihren Mitteln und Möglichkeiten.
Ein schöner Gedanke. Findet ihr nicht?
Habt wieder eine schöne Zeit.

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Emmi Lus Sicht der Dinge

Moin und Hallo

Schön, ihr seid wieder dabei.
Letztens habe ich in einem meiner alten Skizzenbücher gestöbert. Eine Zeichnung von einem Kleinkind hat mich auf eine Idee gebracht. Das Bild ist auf der Startseite zu sehen und alles andere lest ihr im folgenden Text. Emmi Lu präsentiert hier ihre Sicht der Dinge.

Heute ist es schön warm. Der Himmel ist blau mit weißen flauschigen Flecken. Mama nennt sie „Schäfchenwolken“. Schäfchen kenne ich. Die mag ich und gutes Wetter auch. Mama sagt, „das ist ein Glückstag auf den Nordseeinseln.“ Papa ist das wohl egal. Er hat die Schultern hochgezogen, die Arme wackeln dabei hin und her. Das finde lustig und probiere es gleich mal aus. Das ist schwierig. Papa lacht mich an und nennt mich „kleine Ballerina“ keine Ahnung, was das ist. Aber egal. Ich mag, wenn Papa das sagt.
Ich habe es mir in meinem Buggy gemütlich gemacht. Wir wollen einkaufen gehen. Die neue Windel ist schön trocken und kneift ausnahmsweise mal nicht. Es ist nämlich sehr unangenehm, wenn sich das Gummi so eindrückt. Das tut dann so weh, dass ich meine Unzufriedenheit laut bekunde. Mama mag das nicht so gerne. Sie wird dann immer hektisch und zupft an mir herum.
„Was hast du denn?“
Was soll ich sagen, ich gebe ja schon lautstark Auskunft. Aber irgendwie sprechen wir nicht dieselbe Sprache. Egal. Jetzt ist alles prima.
In einer Hand halte ich ein Stück Brötchen, in der anderen mein Fläschchen. Der Tee ist so na ja, aber auf dem Gummisauger lässt sich prima drauf herumkauen. Vor allem wenn ich „zahne“. So nennt Mama das. Ich kenn mich damit nicht aus. Ich weiß nur, dass dann in meinem Mund alles dick ist. Meistens in der Nacht. Dann kann ich gar nicht schlafen und muss ganz viel weinen. Manchmal schreie ich auch laut, weil ich nicht weiß, was ich machen soll.
Aber jetzt ist es Tag und zum Quietschen schön und so warm, dass ich meine Socken schon mehrere Male ausgezogen und aus dem Wagen befördert habe. Aber Mama ist echt hartnäckig. Nun will sie sie mir schon wieder anziehen. Ich verziehe kräftig das Gesicht und hole vorsorglich schon mal Luft.
„Okay, ich habe es verstanden. Keine Socken.“ Mama lacht mich an und ich lache zurück. Vielleicht wird das mit der gemeinsamen Sprache doch noch etwas. Ich versuche es gleich noch einmal und ziehe an der Mütze. „Oh nein, mein Spatz, keine Chance. Die Mütze bleibt auf.“ Mamas Tonfall hat sich geändert. Ich denke, mit der Mütze warte ich noch etwas.

Ich schaue mit lieber das rote Ding mit den schwarzen Punkten an, das auf meiner Hose sitzt. Das kenn ich doch. „Schau mal Emmi Lu, ein Marienkäfer.“ Ja genau, aber so ein langes Wort kann ich mir nicht merken. Aber ich weiß schon Kuh, Vogel, Katze, Hund und Fisch. Und ich kenne „Flotte Biene“. Das sagt Papa immer, wenn Mama das bunte Kleid anhat. Mama wackelt dann immer mit dem Kopf. Vielleicht weil er so rot ist. Ob das Spaß macht? Ich probiere das mal. „Warum schüttelst du denn den Kopf.“ Mama lacht nun wieder ganz vergnügt und ich freue mich auch.
Wir schlendern weiter an der Promenade entlang. Von Weitem sind schon die ersten Läden zu sehen.
„Oje, Emmi Lu, gleich haben wir wieder Stress. Frau „Huhu“ ist im Anmarsch.“ Mama zieht die beiden Balken über den Augen hoch. Das sieht lustig aus und ich versuchte es.
Ich bin noch mitten am Üben, da höre ich eine Stimme. „Huhu, Frau Nachbarin.“ Die Stimme kenne ich. Mir wird unangenehm im Bauch. Ob das Stress ist? „Da ist ja unser Schreihals. Hast du deine Mama heute Nacht wieder nicht schlafen lassen? Die hat schon richtige Augenränder. Trotz Urlaub. Nur wegen ein paar Zähnchen muss man kein Theater machen, nicht wahr?“
Das Gesicht zu der Stimme ist nun nah bei mir. Der Mund ist groß und rot angemalt und es riecht ganz komisch. So sauer. Und am Hals ein bisschen süß. Mama sagt immer „Parfüm“ dazu.
Mir ist ein bisschen übel. Mein Mund ist auch schon wieder etwas dick. Ich beiße kräftig auf den Gummisauger und trinke etwas Tee. Aber das hilft nicht sehr gut.
„Meine Nichte lässt ihre Kinder auch immer auf dem Gummisauger beißen. Also bei mir gibt es das nicht. Ich habe keine Kinder, aber eins weiß ich, man darf sie nicht verhätscheln. Damit kenne ich mich aus. Da muss man energisch durchgreifen.“

Bei den letzten Worten tippt sie mir auf den Bauch. Ich schaue Mama an. Die hat einen roten Kopf und holt tief Luft. So wie ich, wenn mir etwas nicht gefällt. „Also..“ Beginnt sie. Aber die Frau hört gar nicht zu, sondern pustet mich weiter an und mir wir ganz doll übel und dann nimmt sie mir mein Fläschchen weg und das geht mir nun zu weit. Ich hole tief Luft und sofort kommt aus meinem Bauch, ganz unten aus der Tiefe, ein lautes „Bäuerchen“. So nennt Papa das immer und freut sich ganz doll darüber.
Dieses Mal ist es anders. Es kommt nicht nur Luft, sondern mein Frühstücksbrei und ein bisschen Brötchen und Tee. Das tut gut. Mir ist auch nicht mehr schlecht. Das Gesicht vor mir ist jetzt weiter weg. Ich sehe überall Brei. Auf der Bluse, im Gesicht der Frau und ein bisschen in ihren Haaren. Mit schnellen Bewegungen versucht die sie alles wegzuwischen. Das sieht lustig aus und ich quietsche ein bisschen.
„So eine Schweinerei“, schimpft sie vor sich hin und schaut erst mich, dann meine Mama ganz böse an.
„Ja“, stimmt Mama zu, „aber sie kennen sich ja aus.“ Mama hat mir ein neues Lätzchen umgebunden und hat die ganze Zeit gegrient. „So, wir müssen dann mal weiter“, sagte sie fröhlich und ich quietsche ein bisschen zufrieden vor mich hin.

Da gibt es dann wohl nichts mehr zu sagen. Vielleicht befindet ihr euch ebenfalls im Urlaubsmodus. Oder nutzt das schöne Wetter und die langen Abende für Aktivitäten und Treffen mit lieben Menschen.

Ich mache eine etwas längere Sommerpause, um endlich mein aktuelles Projekt voranzutreiben.
Habt bis dahin wieder eine schöne Zeit.

Die Herausforderung

Schön, euch wieder dabei zu haben. Der Sommer hat begonnen. Einen kleinen Vorgeschmack hatte wir letzte Woche. Das Wetter sonnig, die Tage lang. Die ersten Urlaubspläne wurden umgesetzt und manch Abenteuer erdacht. In genau dieser überschwänglichen Stimmung hatte sich Carolina eine besondere Aufgabe ausgesucht.

Aber lest selbst.

Mit jedem Schritt auf das geschlossene Gatter war ich langsamer geworden.
Was hatte ich mir nur bei dieser Aktion gedacht. Wandern mit einem Alpaka.
Ein Wildtier, das aus Peru, Bolivien oder Chile kam, oder zumindest deren Vorfahren. Und das alles, weil der von mir gelesene Artikel so geschrieben war, dass ich sofort loslaufen wollte. Ich hatte alle Bedenken über den Haufen geworden. Meine Angst vor großen Tieren ignoriert.

„Bitte hier warten.“ Den Text am Eingangsgatter hatte ich erst im letzten Augenblick gesehen. Fast wäre ich eingetreten. „Verflixte Nervosität. Beruhige dich“, ermahnte ich mich in Gedanken. „Was soll schon passieren. Die Tiere sind daran gewöhnt, mit den Menschen spazieren zu gehen. Sie lieben es.“ Das hatte das Alpaka mit dem Namen Heinrich begeistert berichtet. Ein Rest Zweifel blieb, aber nun war es eh zu spät. Das Geräusch von zuschlagenden Autotüren und Stimmen sagte mir, dass die anderen Teilnehmer nun eingetroffen waren.
Wie auf Kommando wurde das Gatter geöffnet und eine kleine Frau in derber Kleidung trat hindurch, um es sogleich wieder zu schließen. „Mist, ich hätte gerne schon mal hineingeschaut.“
„Hallo zusammen“, begrüßte sie uns. „Gleich zu Beginn ein paar Regeln. Alpakas sind kein Spielzeug und mögen nicht überfallen werden. Ein langsames Kennenlernen ist das Gebot der Stunde. Wenn sie Zutrauen gefasst haben, ist ein Streicheln oder Abklopfen möglich. Es sind Tiere und die haben ihren eigenen Kopf. Geduld ist gefragt. Ich möchte später nicht erleben, dass einer am Halfter zerrt, nur weil etwas nicht so gut funktioniert.“ Nach diesen Worten durften wir eintreten.

„Na, das war ja mal eine Ansage“, schoss es mir durch den Kopf. Dann erfasste mein Blick die Herde und mir brach der Schweiß aus. Die Alpakas waren schon beachtlich, aber kein Vergleich zu den Riesen daneben. „Lamas? Echt jetzt? Das sind doch die, die immer spucken, wenn ihn irgendetwas nicht passt.“ Alles sträubte sich in mir auch nur einen Schritt weiterzugehen.

Aber keine Chance. Meine Gruppenmitglieder schwatzend fröhlich neben mir und zogen mich regelrecht mit. Aus den Gesprächen hörte ich heraus, dass einige hier schon Erfahrung hatten. Sie steuerten sogleich auf einen großen Tisch zu, der unter einem riesigen Baum stand.
„Bevor wir starten, erzähle ich euch noch etwas von meiner Farm und den hier lebenden Tieren“, begann die Leiterin wieder. „Wandern mit Alpakas ist in den letzten Jahren in Mode gekommen. Leider…“

Ich hatte mich ans äußerste Ende gesetzt. Dort erschien für mich der beste Ort zu sein. Es war die größtmögliche Entfernung zu der Herde, die am anderen Ende in einem offenen Stall stand.
Eine fatale Entscheidung, wie ich nach kurzer Zeit feststellen musste. Die Tiere hatten sich inzwischen neugierig auf den Weg gemacht und liefen dorthin, wo der meiste Platz war. Zu mir.
„Galt nicht zu forsch auftreten auch andersherum? Scheinbar nicht.“
Ich schnappte nach Luft. Eine Gänsehaut krabbelte meinen Rücken hoch und hinterließ einen Juckreiz. Nur nicht bewegen.

Ein riesiges Lama schob sich nah heran und schaute von oben genüsslich etwas zermalmend auf mich herab. „Puh, da möchte ich meine Finger auch nicht zwischen haben.“ Drei Alpakas gesellte sich dazu und starrten mich an. Und nun? Die anderen Teilnehmer fanden es lustig, ich eher nicht. Langsam stieß ich die Luft aus und wartete. Hoffentlich kam nicht der Rest der Truppe auch noch hinterher. Nichts passierte. Okay, Entwarnung.
Ein Vorteil hatte diese Nähe. Ich konnte jedes einzelne Tier genau betrachten.
Sie hatten krumme Zähne und der Haarschopf stand lustig in alle Richtungen. Jedoch hatte jedes Tier ein unterschiedliches Gesicht. Beim längeren Betrachten war auch zu erkennen, wer eher ein Rebell oder ein Ruhepol war.
„Das Jungtier ist erst seit einigen Wochen in der Herde“, hörte ich die Besitzerin dozierte.
Ich betrachtete es. Es war nicht so zutraulich wie meine Miniherde, die inzwischen wieder abgezogen war. Mir war aufgefallen, dass alle von Fliegen regelrecht befallen waren. Vorwiegend im Gesicht. „Die armen Tiere.“ Verwundert stellte ich fest, wie schnell sich doch eine Sichtweise ändern konnte. Eben war die Entfernung nicht groß genug und nun machte ich mir Sorgen um sie. Es war stickig heute. Kein Windzug zu spüren. Paradiesisches Wetter für Krabbeltiere aller Art.

„So, nun habt ihr einen guten Überblick erhalten“, kam es von der Leiterin. „Ich verteile nun etwas Futter an euch und ihn könnt den ersten vorsichtigen Kontakt aufnehmen.“
Alle stürmten gleich los und lockten mit dem Futter. Oje, vor lauter Anspannung und Gedankenkarussell hatte ich wieder mal nicht zugehört. Wie sollte ich die Hand halten und zu wem nicht gehen? Und was hatte es mit dem Regen auf sich? Ich schaute nach rechts und links, um mich zu orientieren. Alle fütterten wild durcheinander. Die Luft war inzwischen zum Schneiden und die Fliegen entpuppten sich als dicke Pferdebremsen, die sich auf alles stützte, was der Nahrungszufuhr diente.

Ich hatte mir einen Ruck gegeben und die Hand vorsichtig vorgestreckt. Finger lang, wie man es bei Pferden macht. Ein älteres Alpaka hatte sich nach einigen misstrauischen Blicken meiner erbarmt und mit einem Zug alles weggesaugt. „Wir beide wären ein gutes Team“, flüsterte ich ihm zu und killte eines dieser Stechbiester, das sich auf meinen Arm gesetzt hatte, mit einem Schlag. Sogleich setzten sich zwei neue hin. „Ihr kommt wohl zu Beerdigung“, knurrte ich wild um mich schlagend. Mein vierbeiniger Freund schlackerte ebenfalls heftig mit den Ohren, um der Plage Herr zu werden.

„So“ hörte ich die Leiterin neben mir um meine Aufmerksamkeit bemüht. „Ich lege nun zusammen mit meiner Assistentin die Halfter an und dann können wir los. Wir gehen gemeinsam.“
Meine Spannung wuchs. Das anfängliche Unbehagen hatte sich von den großen auf die kleinsten Tiere verlagert. Ich wollte nur noch los. Weg von den widerlichen und stechenden Viechern. Weg von diesem Ort, an dem wir lebendig verspeist wurden. Ich bekam das Ende des Halfters übergeben und mein Alpaka lief fröhlich die Führung übernehmend los.

„Na, das funktioniert doch.“ Ich trottete zufrieden nebenher. „Bis zum Gatter konnte ich schon mal gehen. Ich sollte doch eh die Führung abgeben oder nicht?“ Ich versuchte mir die erhaltenen Informationen abzurufen. „Ach ja, auf keinen Fall ziehen.“
Hinter mir hörte ich eine Stimme etwas rufen. „Ob sie mich meinte? Ich konnte jetzt nicht zuhören. Ich musste mich auf meine Aufgabe konzentrieren.“
Ein Windzug fegte über uns hinweg. Mein Alpaka und ich. Eine Gemeinschaft. Wie schön. Und endlich frische Luft. Dann noch ein Windstoß. Die blöden Stechviecher waren wir auch los.
Der Platzregen kam ohne Vorwarnung. Eine Erinnerung aus dem Vortrag bahnte sich den Weg in den jetzigen Moment. „Bei Regen bewegen sich meine Alpakas keinen Schritt mehr.“

Unverhofft kommt oft.
Die Widrigkeiten des Lebens sind unvorhersehbar.
Habt wieder eine schöne Zeit.

Im Frühling

Moin und Hallo

Kaum habe ich mich von euch verabschiedet, ist ein Monat vergangen.
Ich bin jedes Mal erstaunt und freue mich, dass ihr wieder dabei seid.
Diesen Monat habe ich für die Startseite und den Blog das Thema „Im Frühling“ gewählt.
Ich empfand ihn erst etwas zögerlich und recht frisch an manchen Tagen. Unsere Meisen taten mir des Öfteren leid, wenn sie mit ihrem Futter im Schnabel und zerzaustem Gefieder den Nistkasten anpeilten.
Doch plötzlich drehte sich das Blatt und alle Tiere und Pflanzen haben mächtig Gas gegeben. So kam es mir jedenfalls vor. Gefühlt war es auf einmal überall grün und bunt. Eine Vielfalt von allem.
Ich habe es mal gedanklich zusammengefasst.

Im Frühling

Guten Morgen sagt der Morgen,
was ein wunderbarer Tag.
Blau der Himmel farblich prächtig,
was ein Frühlingstag vermag

Vögel singen, manche pfeifen,
zwitschern laut, melodisch gar.
Groß die Zahl verschiedener Stimmen
bieten sich des morgens dar.

Hummeln brummen um die Wette,
wechseln sich mit Bienen ab.
Blütenstaub in rauen Mengen
verteilen sie und nicht zu knapp.

Schmetterlinge gleiten fröhlich
lustig auf und dann herab.
Immer leise, nie verdrießlich
wie ein Hauch in Farbe satt.

Kleine Schnecken laufen Rennen.
Ab hinein ins nächste Beet
um die Wette mit dem Gärtner,
der so schön hat ausgesät.

Frosch und Kröten in den Teichen
quaken Stunden bald herum.
Molch und Goldfisch staunen leise,
bleiben dann doch lieber stumm.

Blumen strecken sich gen Himmel,
eine Vielfalt Groß und Klein.
Leuchten in den schönsten Farben
täglich mehr, so soll es sein.

Die Tage ziehen schnell durchs Land,
wie schön es zu erleben.
Der Sommer klopft schon kräftig an,
auch er wird manches geben.

Schauen wir mal, was der Sommer uns alles entdecken lässt.
Ich bin gespannt und wünsche euch wieder eine wunderbare Zeit.

Ein scheußlich schöner Tag

Moin und Hallo
Schön, euch wieder dabei zu haben. Ich war ein paar Tage unterwegs und habe dieses Mal für die Startseite eine Skizze von einem Bruchwasserläufer mitgebracht. Das Schöne am Reisen ist, man kann seine Gedanken laufen lassen. Ist zumindest bei mir so. Oft macht man sich auch unnötig Sorgen und landet in einer sehr unangenehmen Phase der Angst.
Im folgenden Beitrag kann Kati da ein Lied davon singen.

Kati stand vor dem Spiegel und strich über ihre Augenbrauen. Die Augenringe waren inzwischen nicht mehr zu übersehen. Die letzte Nacht war, wie so viele davor mit Albträumen durchsetzt.
„Ob Elli mich versteht?“ Die Angst breitete sich sofort in Kati aus. Wie immer, wenn sich der Gedanke an ihr Geheimnis in ihr breitmachte. „Später,“ überlegte sie mit einem Blick auf die Uhr. Die Schule fing bald an und sie hatte schon genug Probleme. Auf Zusätzliche hatte sie echt kein Bock.
Kaum hatte die Lehrkraft den Raum betreten, klappte diese die Tafel auf und enthüllte die Aufgaben. Übungsarbeit, Mathematik. Mathe war nicht das Problem. Das beherrschte Kati. Aber nicht auf diesem Platz. Seit der Neugestaltung der Gruppen saß sie in der letzten Ecke. Panik breitete sich in ihr aus und ein Schluchzer bahnte sich den Weg aus den Untiefen des Bauchraumes empor. Sie schluckte und schniefte und wühlte nach einem Tusch, aber die Tränen waren schon nicht mehr zu halten. Der ganze Körper bebte und Katis Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, wuchs von Minute zu Minute.
Ihr Tischnachbar versuchte sie mit den Worten, „Ich verstehe die Aufgaben ebenfalls nicht“ zu trösten. Pah, dieser Ahnungslose. Eine Matheaufgabe hatte ihr noch nie Problem bereitet. Ihre Freundin Elli schaut herüber und legte den Kopf schief. „Was ist los“, flüsterte sie tonlos. Ohne die Möglichkeit einer Antwort saß Kati weiterhin schluchzend da. Die Lehrerin, ausgestattet mit dem Radar eines Wildtieres, hatte ihren Kopf gedreht und nahm sie in den Fokus. „Was ist denn hier los? Die Stimme war laut und durchdrang den gesamten Raum. Spätestens jetzt schaute alle in eine Richtung.
„Na großartig“, dachte Kati und wäre am liebsten unter dem Tisch verschwunden. Ihr Wunsch, dass die Erde sie verschlingen würde, war so intensiv, dass sie einen Moment ausharrte und darauf hoffte. Die Zeit blieb buchstäblich stehen. Die Lehrerin fixierte sie und wartete, während sie unablässig mit dem Fuß auf den Boden klopfte, auf eine Antwort. „Also, was ist hier los? Das geht alles von eurer Zeit ab.“ Die ersten Mitschüler fingen an zu maulen und Kati wurde abwechselnd heiß und kalt. Und das Gefühl, von allen angestarrt zu werden, ließ sie regelrecht schrumpfen. Mit tränengroßem Blick schaute sie zur Klassentür. Hatte Flucht einen Sinn? Sie seufzte tief.
Wie kam sie nur raus aus dieser Nummer. Alles in ihr weigerte sich, das auszusprechen, was schon seit geraumer Zeit wie ein Damoklesschwert über ihr hing. Die letzten Wochen waren schrecklich.
Sie senkte den Blick und murmelte leise einen Satz. „Ich…..mmmmm….“
„Was ist denn los mit dir? So kenne ich dich gar nicht.“ Ihre Lehrerin hatte sich hingehockt, sodass sie in Augenhöhe nebeneinander wären, wenn Kati nicht wieder auf den Tisch gestarrt hätte.
Sie schluckte mehrmals und atmete tief durch, um die richtigen Worte zu finden. Den Satz auszusprechen, der ihr Schicksal beschließen würde. Ihr einen Stempel aufdrücken würde. Sie stand buchstäblich mit dem Rücken an der Wand und hatte keine andere Wahl. Sich der Angst stellend schaute sie nacheinander in die Gesichter ihrer Freundin, des Tischnachbars und der Lehrerin. „Ich sehe nichts.“
Die Stille, die folgte, war ohrenbetäubend. Dann berührte die Lehrerin sanft Katis Schulter. „Gut, dass du es nun ausgesprochen hast.“
Das fand Kati auch. Ihre Erleichterung war grenzenlos. Alle Horrorszenarien sind auch später nicht eingetreten und Namen wie Brillenschlange etc. sind nie gefallen. Im Gegenteil, sie bekam viele Komplimente für ihre modernen Brillen.

Ich denke, wir alle haben schon Themen vor uns hergeschoben und wären vor lauter Sorge am liebsten in einem Mauseloch oder wo auch immer verschwunden.
Marc Twain 1835 – 1910 hat das wunderbar zusammengefasst.
„Ich hatte in meinem Leben viele Sorgen, von denen die meisten nie passiert sind.“
Für mich liegt viel Weisheit in diesem Satz.
Ich wünsch euch eine sorgenfreie Zeit.