Es ist alles eine Sache der Betrachtung

Moin und Hallo

Schön, dass ihr bei mir reinschaut. Heute habe ich als Startbild zwei Nymphen mitgebracht. Ich besaß vor vielen Jahren selbst welche. Auch diese waren gesellig und verschmust. Meistens waren sie außerhalb des Käfigs unterwegs und einer der beiden war ein Meister im Blumenkillen. Die Stängel standen dann wie Zinnsoldaten in der Runde aufgereiht in der Vase. Die Köpfe lagen kunstvoll drapiert auf der Tischplatte und fristete ihr Dasein. Die Entscheidung, ob ich darüber lache oder mich ärgerte, lag bei mir.
Im Endeffekt kommt es auf die persönliche Einstellung drauf an. Sie kann beflügeln oder bremsen. So ergeht es auch Klara im folgenden Text.

Ich hatte es mir auf meinem Yogakissen bequem gemacht. Die Beine gekreuzt, der Oberkörper gestreckt, das Kinn leicht gebeugt. So hatte ich es gelernt. So sollte es bestenfalls sein. Aber so aufgeputscht vom ganzen Tag funktionierte es mal rein gar nicht. Im Moment drückte und kniff es noch an allen Ecken und Kanten. Mein Geist kreiste wie eine Herde Affen in meinem Kopf herum.
Laut schnaufend riss ich die Augen wieder auf. „So wird das nie was.“ Ich zog das Kissen unter mir weg und knetete und klopfte es anständig durch. Nun war es etwas höher und ich startete einen neuen Versuch. „Geht doch.“
Mit dem Sitz war ich inzwischen zufrieden. Nur die Gedanken waren noch sehr aktiv. Also ziehen lassen. Das hatte ich oft geübt. Wolken eigneten sich dafür prima. Gedanke rein und ab damit. Zwei, dreimal gelang es mir, dann rückte ein Geräusch in den Vordergrund. Draußen vor meinem Fenster hatte sich ein kleiner Vogel entschieden sein Abendlied lautstark zu präsentieren.
Ich riss die Augen erneut auf und scannte suchend die Fensterbank ab. Nichts zu sehen. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Echt jetzt. Wie soll ich Meditieren lernen, wenn hier so ein Krach herrscht“, schnauzte ich laut und schloss wieder die Augen. Nun war es still. ‚Den habe ich jetzt bestimmt vertrieben. Der arme Vogel. Er macht mir ein Geschenk und ich erkenne es nicht einmal als solches.‘
Das schlechte Gewissen macht sich direkt körperlich bemerkbar. Unruhig klopfte mein Herzen ohne jede Taktung. Das war mir in der letzten Zeit schon des Öfteren aufgefallen. Es war wieder da. Ich kannte es. Alle paar Jahre trat sie auf. Die wilde Zeit meines Herzens.
‚Das trägt auch nicht gerade zur Beruhigung bei.‘ Wieder ein Gedanke der sich einschlich. Oder wohl eher eine Erkenntnis. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich auf eine Atemübung.
Einatmen und dabei bis vier zählen. Luft anhalten und bis vier zählen, Ausatmen und bis sechs zählen, Luft anhalten und wieder bis vier zählen. Normalerweise sollte ich je ein Nasenloch zuhalten, zur Wechselatmung. Ich drückte ein Nasenloch zu. Kam aus dem Takt. Hielt die Luft vollkommen an und lauschte. Wartete. ‚Ob ich den Gesang doch wieder vernehmen kann?‘ Aber nichts. Stille.
Die Traurigkeit sprang mich hinterrücks an wie ein wildes Tier. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe mich nicht. Ich mag Vögel gerne. Alle Tiere, sogar Insekten. Okay, Mücken nicht so sehr, aber die Natur im Allgemeinen. Und nun sitze ich mit Scheuklappen auf meinem Kissen und beiße um mich. Schon erhöhte sich der Druck im Körper. Mein Herz schlug wieder Kapriolen.
Ich registrierte die Sonderschläge und nahm dieses Mal meine Gedanken in Empfang. Lud sie ein. Ganz bewusst. ‚Warum kann ich die Dinge nicht akzeptieren, wie sie sind?‘
Je länger ich mich mit der Frage beschäftigte, je klarer trat eine mögliche Antwort empor. ‚Das ist das Leben. Es ist nicht alles so, wie man es möchte. Es lässt sich weder alles regeln noch bestimmen, oder kontrollieren.‘
Ich ließ die Erkenntnis einen Moment auf mich wirken. Wie zur Bestätigung drang das Vogelgezwitscher in mein Bewusstsein. Eine zweite Chance die Sichtweise zu ändern. Einen frischen Blick zu bekommen. Meine Einstellung korrigieren, den Fokus umsetzten. Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht. ‚Oh wie schön es sich anhörte.‘

Wie immer im Leben ist alles eine Betrachtungssache. Die Meinungen grätschen oft auseinander. Wie bei meinen Nymphen. Von niedlich bis schäbig, von oh wie herzig, bis die haben bestimmt Milben. Da war viel Raum für Sichtweisen. Aber mit einem wohlwollenden Blick auf eine Situation war und ist es leichter.
In diesem Sinne. Habt wieder eine schöne Zeit.